Wir schreiben den Juni 1988: Ja, die Niederlande sind gerade Europameister geworden, aber das sei hier wirklich nur ganz am Rande erwähnt. Viel spannender ist, dass wir die Geburtsstunde der Kommunikationsagentur Fink & Fuchs PR erleben. Nach einer 6-monatigen „Testphase“ – so etwas wie eine Business-Ehe auf Probe – gründen Martin Fuchs und Stephan Fink die Fink & Fuchs High-Tech Marketing GmbH. Der erste Firmensitz befindet sich in einer alten Villa in der Gustav-Freytag-Straße 9 in Wiesbaden. Gustav Freytag, weil er das Theaterstück “Die Journalisten” verfasst hat?
Ja, vielleicht auch deswegen. Aber vielmehr bietet die alte Villa mit ihren hohen Räumen genügend Platz, um richtig groß zu denken. Es ist eine gute Zeit für die Gründung einer Kommunikationsagentur, die sich auf Technologie spezialisiert. Denn die Digitalisierung bahnt sich langsam ihren Weg und mit ihr einher geht ein explosionsartig steigender Erklärungsbedarf. Zu dieser Zeit spricht noch niemand von IT, sondern von Elektronischer Datenverarbeitung, kurz EDV. Unsere ersten Rechner sind manuell hochgerüstete MS-DOS-Systeme, die im ersten halben Jahr auch schon von zwei festangestellten Mitarbeitern genutzt werden. Und es gibt den ersten Computerwurm, der stattliche zehn Prozent des kompletten Internets stilllegt. Dieser „arme Wurm“ schaffte es damals nicht mal ansatzweise in das Licht der Öffentlichkeit. So was nennt man wohl schlechtes Timing.
Wir treten schon sehr früh der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) bei. In dem Jahr feiert die DPRG schon ihren 30. Geburtstag und wir denken: „Man, gibt es die schon lange.“ – Wer das wohl heute über uns mit unseren 25 Lenzen denkt? Natürlich werden wir auch Mitglied in der IHK – im Deutschen Journalistenverband ohnehin.
Es ist das Jahr, in der die Telekom das C-Netz einführt – sichtbar wird diese Technologie anhand fest installierter Autotelefone. Wer auch immer sich diesen Luxus für 6.000,- bis 8.000,- D-Mark damals leisten kann … In einer Zeit, als es gerade mal knapp über 20 Millionen PCs weltweit gibt und die Telekom sowie ISDN langsam auf Erfolgskurs zusteuern, betreuen wir Kunden wie Lauer & Wallwitz – manch einem noch bekannt in Zusammenhang mit Tools für die Programmiersprache Turbo-Pascal – und Applicon Schlumberger. Letzterer ist ein CAD-Hersteller, der in der Phase des damaligen CAD-Booms sehr schöne Systeme für die Automobil- oder auch die Lebensmittelindustrie herstellt. Damit werden beispielsweise T-Bone-Steaks auf die optimale Form designed – daraus wird eine Anwendungsstory, bei der das Wasser im Munde zusammen läuft.
Mit unserem Kunden Brainware sind wir der Zeit etwas weit voraus. Das Start-Up bietet auf der Grundlage früher KI-Technologien (KI = Künstliche Intelligenz) Beratung und Realisierung sogenannter Expertensysteme. Unsere damaligen Artikel zu Künstlicher Intelligenz können wir leider nicht verlinken.
Auch die Gesellschaft für Computer-Anwendung aus dem Schwabenland zählt zu den ersten Kunden unserer PR-Agentur. Sie liefert Zusatz-Tools für die erste Version von Windows und verdient echtes Geld mit einem Stückchen Software zur Erstellung von Bildschirmfotos. Und nicht zuletzt betreuen wir Concurrent Computer, Hersteller von Echtzeitrechnersystemen, mit denen damals im Space-Shuttle-Programm die entsprechenden Missionen ins All simuliert und gesteuert werden. Es sind sehr spannende, aber auch komplexe Themen – nicht nur einmal müssen wir ins Lexikon schauen, um zu verstehen, was Fachbegriffe wie “ruggedized system” bedeuten. Apple zeigt derweil in visionären Science-Fiction-Bewegtbildern, wo die Reise hingehen wird:
Zu dieser Zeit bewegen wir uns noch in einem Segment mit hohem „Nerdfaktor“. Und trotzdem gibt es schon weit über 100 Computerzeitschriften – neben Chip, C´t, Computerwoche oder PC-Welt jede Menge Hefte mit Namen wie MC, Micro, DOS, Amiga-, 64er- und ST-Magazin, Computer Persönlich oder Happy Computer. Sie beschäftigen sich mit den verschiedenen Aspekten der noch wenig verbreiteten Technologien und haben tatsächlich noch viel Zeit für Interviews und Veranstaltungen. Bei Fachpressekonferenzen, selbst für kleine Themen, kommen üblicherweise zwischen 25 und 30 dankbare Journalisten. Denn die PR steckt wirklich noch in den Kinderschuhen und Unternehmen entdecken erst langsam die Chancen von aktiver Medienarbeit.
Nachdem wir bei der Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land den Holländern beim Feiern zusehen müssen, versöhnt Steffi Graf die deutsche Sportlerseele, indem sie alle vier Grand Slam Turniere gewinnt. Und wer trotzdem untröstlich bleibt, pfeift zum Ende des Jahres eben mit Bobby McFerrin auf dessen Chartbreaker aus 1988: „Don’t worry, be happy“.
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Fotos Banner: Fink & Fuchs PR
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