Wann gilt ein Unternehmen eigentlich als “innovativ”? Die klassische Antwort: Wenn es in der Lage ist, kontinuierlich neue und zumindest in Teilen andersartige Produkte und Dienstleistungen erfolgreich am Markt zu etablieren. Allerdings blendet eine solche Definition die Wirkung des eigenen Unternehmensimages aus beziehungsweise denkt es diese nur als abhängige Variable. Die Gegenthese wäre, dass ein Unternehmen immer dann als innovativ gelten kann, wenn dies die Mehrheit seiner Bezugsgruppen (u.a. Medien, Markt, Mitarbeiter) glaubt – unabhängig von dem tatsächlichen Grad an Neuerungen. Das mag kurzfristig hinreichend sein, aber wahrscheinlich lässt sich dieser Zustand nicht lange aufrecht erhalten, ohne dass er durch reale Innovation zumindest gelegentlich gestützt werden würde (“You can’t fool all people all the time”).
Innovation in der Performance-Gesellschaft
In unserer hochkommunikativen Gesellschaft scheint die Wahrheit zwischen den Extremen zu liegen: Innovationskultur und -image beeinflussen sich permanent gegenseitig. Innovative Produkte befördern ein innovatives Image, ein innovatives Image zieht innovative Köpfe an, die wiederum die nächsten innovativen Produkte erfinden, und das lockt die Kunden an, die bereit sind, ein Premium zu bezahlen, was wiederum nötig ist, um ausreichend Ressourcen für Forschung & Entwicklung bereitzustellen.
Deswegen ist es wichtig, sowohl die strategischen Aspekte von Innovation in Aufbau- und Ablauforganisation (Innovationsmanagement) als auch die kommunikative Seite von Innovation im Blick zu halten und zusammenzudenken. Denn was Christoph Bartmann in der Süddeutschen Zeitung über die “Selbstdarstellung im Büro” formuliert, gilt auch im größeren Zusammenhang: “Leistung und Darstellung, Leistungsdarstellung und Darstellungsleistung gehören zusammen in einer Gesellschaft, die weit weniger Leistungs- als Darstellungs- oder Performance-Gesellschaft ist, … weil die Gesetze der visuellen und performativen Kultur alle Lebensbereiche, also auch Politik und Ökonomie, beherrschen.”
Das Beispiel ImmobilienScout24
Doch plumpe Kommunikation im Behauptungsmodus – die inflationäre Häufung der Vorsilben “inno” in Unternehmenstexten ist ein untrüglicher Gradmesser – ermüdet das Publikum schnell. Und auch die Ausgabe von rosa Brillen an die Mitarbeiter führt selten zum Ziel. Zunächst hilft eine neutrale Bestandsaufnahme.
Es gilt, im Sinne der Eingangsfrage, die Bereiche zu untersuchen, in denen Innovationen stattfinden können, und das eigene Unternehmen und seine Leistungen dort zu verorten. Neben den klassischen Produktinnovationen sind das die Felder Prozesse, Organisationen, Services, Strategien und soziale Systeme. Am Beispiel Immobilienscout24 sei hier kurz und beispielhaft in einer Art Checkliste erläutert, wie dieser systematische Blick helfen kann, Innovationsstärke zu erkennen:
- Produkte: Permanente Verbesserungen und Erweiterung der Kernfunktionen insbesondere für den mobilen Bereich sichern die Marktführerschaft und sorgen für die beste Kundenerfahrung.
- Services: Die Erweiterung des Kernproduktes durch komplementäre Angebote wie Baufinanzierung sichert neue Erträge und hilft beim Aufbau von zukunftsgerichteten Business-Ecosystemen.
- Prozesse: Die Einführung von Scrum als flexibles Vorgehensmodell in der Softwareentwicklung schafft Wettbewerbsvorteile durch schnellere Implementierung neuer Lösungen.
- Organisation: Der Aufbau eines eigenen Inhouse-Inkubators (“You is now”) für Start-ups öffnet das Unternehmens für neue Ideen und bietet leichteren Zugriff auf interessante neue Produkte und Services.
- Strategie: Sie definiert neue Ziele und stellt entsprechende Ressourcen bereit und dient so der Differenzierung in bestehenden und der Etablierung in anderen Marktsegmenten. (siehe oben)
Zudem verändert das Kernprodukt von Immobilienscout24 seit Jahren das soziale System zwischen Mietern, Maklern, Medien und Eigentümern. Der gesellschaftliche Nutzen des Unternehmens besteht vor allem in der Erhöhung der Markttransparenz.
Eine kurze Bestandsaufnahme wie diese zeigt schnell, ob genügend Substanz vorhanden ist, um die eigene Innovationsstory laut zu erzählen. Denn die aufgeführten Aspekte von Innovation sind gleichzeitig spannende Kommunikationsinhalte, die in Form von Reportagen, Meinungsbeiträgen, Interviews oder Berichten Eingang in die klassischen Medien finden können und sollten. Noch näher liegt der Gedanke, diese Geschichten auch in den eigenen und sozialen Medien darzustellen, um auf direkten Wegen Kunden, Partner und ¬– last but not least – die Mitarbeiter zu gewinnen und zu überzeugen.
Culture eats strategy for lunch – die Mitarbeiter mitnehmen
Dass Unternehmen erfolgreicher innovieren können, wenn die eigenen Mitarbeiter vom Sinn der Strategie überzeugt sind und die postulierten Werte nahe am täglichen Erleben liegen, liegt auf der Hand. In einem schönen Beitrag für FastCompany.com diskutiert Shawn Parr den Einfluss von Unternehmenskultur auf die Strategie und die eigene Marke, mithin den Einfluss der Kultur auf das eigene Image: “Culture is the environment in which your strategy and your brand thrives or dies a slow death … Culture cannot be manufactured. It has to be genuinely nurtured by everyone from the CEO down.” Daher hat Innovationskommunikation auch immer eine nach innen gerichtete Dimension:
- Welche Formate für Dialog oder Partizipation gibt es?
- Wie werden diese genutzt?
- Wer ist dafür verantwortlich?
- Welche symbolischen Handlungen befördern oder verhindern die postulierten Unternehmenswerte?
- Wie wird Feedback von außen (beispielsweise Medienberichterstattung) integriert?
In aller Regel werden die in diesem Beitrag aufgeworfenen Fragen nicht allein von der Kommunikationsabteilung beantwortet werden können. Dennoch ist Kommunikation in allen Fragestellungen zur Verbesserung der Innovationskultur eine wesentliche Komponente. Das macht Kommunikation zum (noch) unterschätzten Werttreiber für Innovation und Image.
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