Schon gematcht? Heute suchen und finden wir nicht nur Gegenstände aller Art oder Reisen über das Internet, auch Freunde, Lebenspartner und sogar Bewerber finden den Weg über Internet- und Matchingplattformen. Künstliche Intelligenz (KI) macht es möglich: Modernes Recruiting setzt gezielt auf einen KI-gestützen Prozess. Und das erfolgreich … die R+V Versicherung matcht es vor!
Unsere Experten für Employer Branding und Arbeitgeberkommunikation trafen Silvia Klein, Abteilungsleitung Recruiting & Personalmarketing bei der R+V Allgemeine Versicherung AG zum Interview:
Frau Klein, wo setzt die R + V Versicherung bereits KI im Personalbereich ein?
„Wir stehen kurz vor der Einführung einer intelligenten semantischen Such- und Matchingsoftware, die uns hilft, schneller und einfacher die passenden Kandidaten in unserer eigenen Bewerberdatenbank und in externen Datenbanken zu identifizieren. Dabei werden im ersten Schritt die Kandidatenprofile durch den Einsatz von CV Parsing in ein strukturiertes Format umgewandelt um im zweiten Schritt dann automatisiert mit dem Stellenprofil gematcht. Anschließend analysieren die Recruiter das Matchingergebnis, schauen sich die Bewerbungen an und führen die Kandidatenvorauswahl durch. Wir haben die Software ein halbes Jahr getestet und werden sie jetzt einführen.“
Welche Ziele verfolgen Sie mit KI und welche Erfahrungen haben Sie bisher damit gemacht?
„Zum einen möchten wir schneller im Recruitingprozess werden und zum anderen möchten wir das Potential unserer eigenen Bewerberdatenbank viel besser nutzen. Wir versprechen uns davon, Kandidaten auch mit Stellenangeboten zusammenzubringen, auf die sie gut passen, sich aber nicht direkt darauf beworben haben. Damit können wir auch unsere eigenen Mitarbeiter bei der Weiterentwicklung in eine andere Funktion besser unterstützen.“
Welche Parameter sind für Sie in puncto Matching die wichtigsten?
„Das ist sehr individuell, je nachdem, welche Stelle wir zu besetzen haben bzw. welches Profil wir suchen. Grundsätzlich sind das aber vordergründig neben den fachlichen Kompetenzen, die gewünschte Berufserfahrung und der Ausbildungshintergrund. Mithilfe der semantischen Suche können unsere Recruiter höchst individuell die Suchparameter für die jeweilige Stelle festlegen und skalieren.“
Wo funktioniert die KI besonders gut und wo stößt sie noch an Grenzen?
„Die Anwendung bringt vor allem da Vorteile, wo eine große Menge an Bewerber-Daten mit einer hohen Anzahl an Vakanzen gematcht werden muss. An Grenzen stößt sie da, wo es Interpretationsspielräume gibt und wo zwischen den Zeilen gelesen werden muss. Die Deckungsgleichheit der einzelnen Puzzleteile ist nicht immer sofort offensichtlich. Es bedarf persönlicher Erläuterungen, um die tatsächliche und nicht die algorithmisch ermittelte Passgenauigkeit zu bestimmen. Um Missinterpretationen auszuschließen, hilft menschliche Intelligenz und vor allem Empathie. Dies gilt z.B. bei der Überprüfung des Cultural Fit oder aber auch bei der Einschätzung von Entwicklungspotenzialen.“
Wie werden die Kandidaten Ihrer Meinung nach auf den Austausch mit der Maschine reagieren?
„Bei uns findet kein Austausch zwischen Kandidat und Technologie statt. Die Entscheidung, wer im Bewerberauswahlprozess weiterkommt, wird immer vom Mensch, dem Recruiter im Schulterschluss mit dem Fachbereich getroffen. Die Technik unterstützt die Recruiter lediglich bei der Vorauswahl und dabei, Kandidaten außerhalb der eigenen Bewerberdatenbank zu finden. Von daher sehe ich da keine Probleme. Im Gegenteil: die Kandidaten haben einen deutlichen Mehrwert insofern, als dass die Software im Rahmen des Matchings die Eignung der Kandidaten nicht nur für die anvisierte Stelle prüft, sondern unternehmensweit die Passung abgleicht. So können den Kandidaten sogar passende offene Stellen proaktiv angeboten werden. Den direkten Kontakt übernimmt dann natürlich ein Kollege aus dem Recruiting.“
Ab welcher Unternehmensgröße bzw. jährlicher Anzahl von Bewerbungen ist KI im Personalbereich überhaupt sinnvoll?
„Für das reine Kandidaten-Matching der eigenen Bewerberdatenbank denke ich, dass sich der Einsatz einer semantischen Such- und Matchingtechnologie ab 1.000 Bewerbungen pro Jahr lohnt. Da die Technologie darüber hinaus aber auch die Möglichkeit bietet, neben der eigenen Bewerberdatenbank in externen Bewerberdatenbanken und Sozialen Netzwerken zu suchen und geeignete Kandidaten zu matchen, könnte es auch für Unternehmen mit weniger, aber schwer zu besetzenden Vakanzen interessant sein. Zudem sind durch die beschleunigte Pre-Screening-Phase wesentlich schnellerer Reaktionszeiten möglich. D.h. der Bewerber bekommt eine schnellere Rückmeldung, als das bisher möglich war – ein wichtiger Aspekt bei der Candidate Journey. Und die Recruiting-Mitarbeiter haben so mehr Zeit gewonnen, um sich mit anderen Aufgaben zu beschäftigen, wie z.B. Talent Relationship Management.“
Mussten Ihre Mitarbeiter im HR-Bereich neue Kompetenzen aufbauen, um mit KI-gestützten Tools erfolgreich arbeiten zu können?
„Unsere Kollegen wurden umfassend geschult. Während der Testphase hatten sie die Gelegenheit, Einfluss auf bestimmte Funktionalitäten zu nehmen, die dann vom Hersteller customized wurden. Da die Anwendung sehr intuitiv ist, gab es keinerlei Probleme und bisher nur positive Resonanz.“
Frau Klein, herzlichen Dank für das Gespräch!
(Für die bessere Lesbarkeit wurde die männliche Personalform im Interview verwendet – gemeint sind alle Geschlechter.)