Rund um das Thema Influencer Marketing sind zahlreiche neue Formate und ein Ökosystem entstanden, die Medienangeboten und journalistisch aufbereiteten Inhalten Konkurrenz machen. Wir haben mit Carsten Knop, ab 2018 Chefredakteur Digitale Produkte, über diese Veränderung gesprochen. Das Interview ist im Rahmen einer Befragung zum Thema Influencer Kommunikation im B2B-Bereich entstanden. Alle Informationen zu der Befragung finden Sie hier.
Herr Knop, was macht das Thema Influencer Marketing mit Ihnen als Journalist?
Ich bin einigermaßen fassungslos darüber, welche Reichweite Influencer erzielen können. Sowohl aus der Perspektive des Journalisten, als auch aus der des Vaters von zwei Teenagern. Schließlich weiß man ja, was eigene Stücke im Durchschnitt für eine Reichweite bringen, wenn man nicht gerade den Apple-Chef Tim Cook interviewt.
Was ist das Erfolgsrezept?
Offenbar strahlen diese Personen, die da auf YouTube & Co. unterwegs sind, mit ihrem Gesicht und ihrer Persönlichkeit eine Glaubwürdigkeit aus, die es den Nutzern attraktiv erscheinen lässt, sich das anzuschauen. Überträgt man diese Erkenntnis auf den Journalismus, stellt sich für Zeitungen die Frage, ob der jeweilige Autor künftig stärker in den Vordergrund gestellt werden müsste – mal ganz abgesehen davon, ob wir das speziell bei der FAZ überhaupt wollten. Außerdem müssen wir feststellen, dass bei vielen Menschen die Unterscheidung zwischen einer Plattform wie YouTube und einer Medienmarke wie zum Beispiel der FAZ nicht mehr richtig klar ist. Da ist Medienkompetenz verloren gegangen, und es wird weniger wertgeschätzt, dass eine Redaktion recherchiert und ja, auch bewertet und auswählt.
Wie gehen Sie mit diesem Spannungsfeld um?
Ein Lösungsansatz könnte sein, es wie unsere niederländischen Kollegen von „The Correspondent“ zu machen. Dort ist jeder Kollege verpflichtet, seine eigenen Newsletter zu machen und jederzeit persönlich in den direkten Kontakt mit seinen Lesern zu treten. Jeder Journalist ist dort quasi selbst eine Marke, und dieses Konzept ist sehr erfolgreich. Ich mache das ja auch, indem ich blogge und über Social-Media kommuniziere. Aber das ist eine umfangreiche Zusatzarbeit. Und dann stellt sich schon wieder grundsätzlich die Frage, wie sehr man sich über Twitter oder Facebook exhibitionieren möchte. Zudem: Die Positionierung in einer thematischen Nische, die durch Social-Media-Aktivitäten gefördert wird, hätte in einer Zeit von atomisierten Medien und gegenüber Influencern sicher Potenzial. Doch in unserem Namen steht ja schon, wir sind eine „Allgemeine“ Zeitung. Unser Auftrag ist es eine große Bandbreite an Themen abzudecken. Das ist ein Dilemma.
Sind namhafte YouTuber und Instagramer eine Chance oder eine Bedrohung für die etablierten Medien bzw. für den Journalismus?
Weder noch, aus meiner Sicht sind das zwei völlig unterschiedliche Welten. Dennoch müssen wir uns Gedanken machen, wie wir Medien einen Teil der Menschen, die Fans von Influencern sind, wieder besser erreichen. Das gilt nicht nur für Zeitungen und Zeitschriften, sondern auch für Fernsehsender wir ARD und ZDF.
Wie hat sich denn Ihre Rolle als Influencer in den vergangenen Jahren verändert?
Natürlich hat uns der Einsatz von Social Media neue Möglichkeiten eröffnet. Ich stehe, bildlich gesprochen, mit Twitter auf und gehe mit Twitter ins Bett. Aber ich sehe mich gar nicht als „Influencer“. Es hilft beim Schreiben sehr, wenn man nicht an die Hunderttausende denkt, die einen Text hoffentlich lesen werden. Wenn ich anfangen würde, mir darüber Gedanken zu machen, hätte ich wahrscheinlich die totale Schreibblockade. Die Zeiten haben sich da auch geändert. Als ich mit dem Journalismus begonnen habe, war es für klassische Zeitungsjournalisten noch viel einfacher große Bekanntheit zu erlangen. Im Zweifel auch ohne die Unterstützung des Fernsehens, und das Internet gab es sowieso noch nicht. Jeder von uns hat Namen der großen alten Journalisten, die ihn begeistert haben, noch im Kopf. Aber wie viele mit vergleichbarer Bekanntheit gibt es davon heute noch? Da müssen wir Journalisten auch mal ganz realistisch sein. Über die Zahl unserer Abonnenten lacht eine Bibi vermutlich doch.
Jetzt machen Sie sich aber sehr klein…
Es mag sein, dass der eigene Name in einem bestimmten Umfeld durchaus bekannt ist. Und doch sollte man sich wirklich nicht überschätzen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Das schon erwähnte Interview mit Tim Cook war ein Home-Run – exklusiv für Deutschland, und Cook hatte was zu erzählen. Dieser Beitrag wurde über alle digitalen Ausspielungsformen hinweg von deutlich mehr als einer Million Menschen gelesen, das ist wirklich viel. Dazu kommt noch die Samstagsausgabe Print. Als Reaktion gab es gerade mal 30 Leserkommentare, von denen die allermeisten auch nicht sonderlich gehaltvoll waren. Das ist das, was von so einem Stück im Leserdialog bleibt.
Na ja, mit Ihrem Klout-Score von über 60 laut Influencer World gehören Sie aber zu den Top-50-Influencern Deutschlands. Wussten Sie das?
Nein, das wusste ich nicht, und ehrlich gesagt interessiert es mich auch nicht. Ich habe mich irgendwann mal bei Klout angemeldet, war da aber bestimmt seit drei Jahren nicht mehr drauf. Ich bin sicher, selbst bei uns eitlen Journalisten spielt so ein Ranking für die wenigsten eine Rolle. Dafür steht das Traditionelle in unserer Arbeit noch viel zu sehr im Vordergrund: Es zählt die nächste Geschichte: Wie läuft die? Kriege ich da irgendwie einen Wettbewerbsvorsprung hin? Wie nutze ich die nächste Großveranstaltung besser als andere? Es ist doch bei fast allen Journalisten der Leitmedien: nimm ihnen die Medienmarke, die hinter ihnen steht, weg – und was ist denn dann noch? Da neige ich zu null Selbstüberschätzung. Deshalb muss der Kerngedanke eines jeden Einzelnen von uns immer sein: „Was hilft der FAZ?“. Denn ohne die FAZ wären wir gar nicht in dieser Position, die freilich sollte man dann auch nutzen.
Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen dem Redakteur Carsten Knop und dem Blogger Carsten Knop?
Bei den Produkten, die ich für die Zeitung mache – also Artikel, Blogbeitrag oder hin und wieder mal ein Buch – da unterscheide ich nicht. Die haben immer denselben hohen Qualitätsanspruch. Mein eigenes Blog http://www.industrial-internet.de/ ist eine Ausnahme. Das habe ich als Experiment und technisches Lernprojekt für mich gestartet; jedoch mit einem ganz anderen journalistischen Anspruch. Das ist mein Hobby, da landet auch schon einmal eine leicht bearbeitete Pressemitteilung, die ins Thema passt, um für Bewegung zu sorgen. Vieles läuft dort automatisiert ab, da geht es mehr um Algorithmus als um Journalismus.
Was können Sie von Influencern lernen?
Zunächst machen sie im Umgang mit Social Media sehr viel richtig. Da haben sie eine Ansprache gefunden, die in Teilen besser funktioniert als die der Medienmarken. Man muss zur auch Kenntnis nehmen, dass in einem weiten Kundenkreis – den wir offensichtlich derzeit nicht erreichen – etwas anders rezipiert wird, als wir uns das erhoffen.
Vielleicht sollten Sie jeden Ihrer Beiträge mit „Hallo, meine Lieben“ beginnen?
((Lacht)) Tja, wenn das reichen würde… Aber das würde man mir und den meisten FAZ-Kollegen nicht abnehmen. Ich denke, ein ganz wichtiger Punkt ist, dass in der Zukunft immer mehr auf mobilen Endgeräten stattfindet und dort eben auch funktionieren muss. Die Zeitungen sind zwar längst überall dort kraftvoll vertreten und die Zugriffsraten steigen, aber als Umsatzquelle haben wir das doch noch unzureichend erschlossen. Ganz kurz gefasst: Im Gegensatz zu Influencern müssen wir mit Paid-Content-Formaten auf mobilen Geräten Geld verdienen. Das wird aber nur gelingen, wenn wir als Medienmarke gemeinsam und alle unsere Autoren einzeln einflussreich bleiben. Die entscheidende Frage ist, wie uns das gelingt. Auf einigen Gebieten kann man dabei von Influencern lernen, aber alles hat seine Grenzen. Ich jedenfalls kenne keinen Influencer, der für seine Inhalte von den Fans Geld verlangt. Wir müssen vermitteln, aus welchen Gründen das bei uns anders und sinnvoll ist.
Ab dem 1. Januar 2018 werden Sie Chefredakteur Digitale Produkte bei der FAZ. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für Ihre neue Aufgabe?
Die liegt inhaltlich darin, dem Leser den Unterschied nahezubringen zwischen einer journalistischen Plattform und einer, auf die jeder Influencer oder auch sonst alle anderen Werbe- und sonstige fragwürdige Botschaften draufstellen können. Und wir müssen Paid-Content-Formate entwickeln, die funktionieren. Das ist meine wichtigste Aufgabe, und es ist gleichzeitig die größte Herausforderung.
Über Carsten Knop
Carsten Knop wird 2018 Chefredakteur Digitale Produkte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dem Studium der Betriebswirtschaftslehre in Münster folgte 1993 das Volontariat im Hause der FAZ. Erste Redaktionsstelle bei der „Börsen-Zeitung“, Versetzung als Korrespondent nach Düsseldorf, dort Rückkehr zur FAZ, 1999 als Wirtschaftskorrespondent nach New York gezogen. 2001 Umzug nach San Francisco. 2003 Rückkehr nach Frankfurt. Von 2007 bis Ende 2017 verantwortlicher Redakteur für die Unternehmensberichterstattung, zuletzt auch für die Wirtschaftsberichterstattung.