Spätestens seitdem Oculus seine Virtual Reality Brille auf den europäischen Markt gebracht hat, ist das Thema auch in den Unternehmen angekommen. Wir haben mit Dr. Michael Gerards, Executive Director bei present4D, über das Potenzial von Virtual Reality für die Kommunikation gesprochen.
present4D ist eines der führenden Unternehmen im Bereich Multimedia-Dienstleistungen, Software und Beratung. Spezialisiert ist present4D auf die Umsetzung von Virtual Reality-Anwendungen im industriellen und non-Gaming Business-Umfeld.
Herr Dr. Gerards, warum sollte ich mich in meinem Unternehmen mit dem Thema Virtual Reality beschäftigen?
Das Thema Virtual Reality hat in den letzten zwei Jahren eine atemberaubende Dynamik angenommen. Grund dafür sind die rasanten technologischen Entwicklungen durch VR-Brillen-Hersteller wie Oculus/Facebook, Sony, oder HTC/Vive. Immer leistungsfähigerer Computer-Prozessoren, Grafikkarten sowie kostengünstigen hochauflösenden Displays durch Firmen wie NVIDIA oder Samsung treiben diesen Trend weiter an. So ermöglicht Virtual Reality bereits jetzt vor dem Eintritt in den Massenmarkt fast jeder Branche sinnvolle neue Geschäftsmöglichkeiten. Gepaart mit relevanten Use Cases und Einsatzgebieten kann die neue virtuelle Realität einen echten Mehrwert für ihr Unternehmen generieren. Mehr Umsatz mit Produkten & Dienstleistungen, Imageverbesserungen, Prozesseffizienz, Visualisierungen von Informationen, Funktionalitäten und Komplexität, sowie ein emotionaler Zugang zu Produkten und Dienstleistungen sind dabei die entscheidenden Treiber.
Für B2C-Unternehmen ist der Einstieg sicher leichter. Wie sehen denn Einsatzszenarien in der B2B-Kommunikation aus?
Der Endkonsumentenbereich lässt sich im Allgemeinen sehr leicht über die emotionale Schiene adressieren. Auch ohne Virtual Reality sind hier im Zeitalter der digitalen Medien und mobiler Anwendungen schon sehr kreative und innovative Marketing-Tools verfügbar. Im B2B-Bereich und besonders im Industrieumfeld sind Marketing und Kommunikation auch heute noch eher nüchtern, sachlich und faktenorientiert. Umso überraschter war ich vor knapp drei Jahren, als ich erstmals erlebte, wie stark Virtual Reality auch hier die Entscheider im Marketing und in den Kommunikationsabteilungen auf einer komplett anderen Ebene adressieren kann: Über ein extrem starkes Präsenzgefühl werden Prozesse und Produkte jeglicher Art in der virtuellen Welt emotional erlebbar. Gleichzeitig kann die Funktionalität eines Produktes, einer Dienstleistung oder der zu kommunizierenden Information damit einhergehen. Dieser „Doppeleffekt“ basiert auf der simplen Täuschung unseres Gehirns. Denn bei dem Gefühl der Präsenz wird die Selbstverortungsfunktion des Gehirns so getäuscht, dass der Nutzer das unmittelbare Erlebnis hat, an einem anderen Ort zu sein.
Welche Unternehmen (B2C und B2B) setzen VR schon erfolgreich ein und was ist deren Erfolgsmodell?
In nahezu jeder Branche gibt es schon Pioniere, Innovatoren oder Early Adopters, die diesen neuen Trend frühzeitig erkannt haben und zukünftige Einsatzgebiete intern oder zusammen mit ihren Kunden getestet haben. Viele Unternehmen konnten dies auch sehr clever bereits medienwirksam in Szene setzen.
Sehr innovative Beispiele sind beispielsweise folgende Umsetzungen:
- Automobilindustrie – Audi stattet eigene Händler mit der VR-Technologie aus, um den Kunden neuartige Konfigurations- und Visualisierungen von Fahrzeugfunktionen vorzustellen
- Reisebranche – TUI Cruises gewinnt bereits 2014 einen Innovationspreis für eine VR-Anwendung seines Kreuzfahrtschiffes „Mein Schiff 3“ . Mittlerweile bietet das Unternehmen online entsprechende Apps für VR-Erlebnisse an
- Hotelketten – Radisson Blu Hannover testet und bereichert sein Hotelmarketing mit neuartigen mobilen VR-Brillen
- Immobilien – Architekten und Bauträger lassen Investoren mit VR-Brillen durch computergenerierte Modelle von Bürohäusern wandern
Unsere Kunden im B2B-Bereich konnten mit unserer VR-Expertise und Software-Lösungen sehr erfolgreich kommerzielle VR-Anwendungen umsetzen.
Deren Erfolgsmodelle sind sehr unterschiedlich:
VR als sehr verkaufsförderndes Produkt-Marketing-Tool in Showrooms oder am Point-of-Sale, VR als effizientes Schulungs-Tool oder als sehr emotionales Kommunikations-Tool mit Multi-User-Konferenz-Modus
- Der globale Technologiekonzern Doosan aus Korea führt seine Kunden mit VR-Brillen auf Messen und in Verkaufsgesprächen durch seine industriellen Großanlagenprojekte. Mehrere Systeme sind bereits für die Marketingteams in Asien, USA und Europe im ständigen Einsatz
- Kremsmüller Industrieanlagenbau zeigte auf der Achema mit seinem „VR360° Kremsmueller Explorer“ Eindrücke seiner Produktionsanlagen und virtuelle Begehung einzelner Projekte in Bergwerken
- Der Technologiekonzern ThyssenKrupp bietet Interessenten auf Jobmessen die Möglichkeit, virtuelle 360-Grad-Präsentationen seiner Werke anzuschauen
- Kosmetik- und Lifestyle-Firmen nutzen VR-Anwendungen mit der 360°-Videotechnologie für die interne Schulung von Marken-und Marketingstrategien, für 360°-Videobotschaften von YouTuberinnen, Begehung von Flagship-Stores und für die Herstellung von beeindruckenden Unternehmenspräsentationen
Wenn man sich die aufwändig gestalteten VR-Welten ansieht, dann werden viele denken: „Ganz nett aber für uns nicht bezahlbar“. Ab welchem Budget sind denn VR-Projekte realisierbar?
Das faszinierende an VR ist, dass man beeindruckende VR-Welten bereits mit relativ wenig Aufwand und Kosten erstellen kann. Das attraktive an VR ist, dass man die Anwendungen modular und damit skalierbar aufbauen kann.
Ab 399 – 2500 EUR kann man z.B. mit einer Lizenz unserer VR-Suite selbst eigene VR-Welten generieren, ohne dass man Programmierkenntnisse haben muss. Spannend ist dabei, dass man existierenden 2D-Content wie Videos, Powerpoints, Grafiken, Animationen und Audio einfach integrieren und sogar editieren kann.
Ab ungefähr 10.000 Euro kosten dann VR-Produktionen mit hochaufgelösten 360°-Panoramaphotos oder mit 360°-Filmen in guter Auflösung, an verschiedenen interessanten Schauplätzen. Aber auch einfache VR-Echtzeitsimulation wie begehbare Showrooms oder Schulungsräume, die am Computer generiert wurden, sind bereits für dieses Budget machbar.
Ab 50.000 Euro gibt es dann aufwändigere VR-Produktionen, die sich wirklich „sehen lassen können“ also z.B. exzellent gemachte 360°-Videos mit umfangreichen Info-Elementen, integrierten 3D-Objekten, Animationen und sehr realistischen Echtzeit-Simulationen.
Wie kann der Einstieg für ein Unternehmen in das Thema „VR in der Kommunikation“ konkret aussehen?
Die größte Herausforderung ist sicherlich erst einmal, sich mit dieser neuen Technologie vertraut zu machen und die für die jeweilige Branche relevanten Use Cases zu identifizieren, die am Ende auch einen signifikanten Mehrwert beitragen. Wir von present4D haben bereits sehr früh erkannt, dass man die Querdenker, die Innovatoren, die kreativen Mitarbeiter eines Unternehmens, die Geschäftsentwickler, die Marketing-, PR- und Kommunikationsabteilungen erst einmal „abholen“ muss. Der Einstieg wäre: VR erleben, VR testen, Use Case identifizieren, Ideen umsetzen, um sie dann strategisch im Unternehmen zu positionieren. Dies geht nur über eine professionelle Beratung, über Strategieworkshops, und ersten VR-Projekten und Prototypen. Denn so beeindruckend und immersiv VR auch sein kann, bei der Erstellung von VR-Welten kann man sehr viel falsch machen. Um dies zu vermeiden, sind bei der Produktion verhaltenspsychologische Aspekte und ein sehr von 2D-Medien unterschiedliches Storytelling zu berücksichtigen. Denn vor einem TV oder Display hat der Betrachter immer das Wesentliche im Blick. In einer Rundum-Welt muss er mit intelligenten Methoden geführt werden, um nicht Informationen oder Botschaften zu verpassen.
Geben Sie uns noch einen Ausblick. Wo geht die Reise im Bereich VR für Unternehmen hin und was bedeutet das für deren Kunden?
Eine sehr spannende Frage, denn wer hätte im August 2012 nach Start der Kickstarter Kampagne einer kleine Firma namens Oculus prognostiziert, dass sich bereits in 2015 ein Multi-Milliarden Ökosystem um das Thema Virtual Reality mit Head-Mounted Displays entwickeln wird. Die Kommerzialisierung der Oculus Rift startet nun im April dieses Jahres. HTC und Sony werden kurz darauf nachziehen. Google hat bereits um die 5 Millionen VR-Cardboards in den Markt gebracht. VR-Firmen im Gaming- und Entertainment-Bereich werden massiv mit Venture Capital unterstützt. Filmteams in aller Welt produzieren bereits mit Hochtouren 360°-Videomaterial für die zukünftigen VR-Erlebnisse.
Von all dem werden die Business-Anwendungen profitieren, da die Verbreitung der VR-Brillen vor keiner Branche halt machen wird. In mehreren Studien werden für 2020 ca. 100 Millionen VR-Brillen-Verkäufe prognostiziert, wovon der größte Teil den kabellosen mobilen Systemen zugeordnet wurde.
Aber unabhängig von der tatsächlichen Marktpenetrationsrate in den nächsten Jahren, das wirklich spannende und reizvolle an den Business-Anwendungen ist, dass man nicht auf den Massenmarkt warten muss, sondern bereits jetzt die Chance nutzen kann, Virtual Reality als wertvolles Kommunikations- und Marketingtool für sein Unternehmen zu positionieren.
Falls Sie mehr zu diesem Thema wissen möchten: Herr Dr. Michael Gerards war auch Referent bei unserem Inspiration Jam.