Ein Interview mit Alexandra Groß und Gerhard Hellmeister
Fink & Fuchs erarbeitet seit zwei Jahren eine Vielzahl an Kommunikationskonzepten auf Basis von Design Thinking. Dabei kommen strukturiert unterschiedliche Analysemethoden, Frage- und Kreativtechniken zum Einsatz, die die jeweilige Kommunikationsfragestellung von Unternehmen berücksichtigen. Mit diesen Methodiken operiert Fink & Fuchs in der inzwischen sehr komplexen Kommunikationswelt, in der PR, Werbung und Marketing miteinander verschmelzen.
Im März 2016 startet Fink & Fuchs eine Workshop-Reihe für Kommunikationsprofis, die wissen wollen, wie man schnell und einfach Design Thinking in die eigenen Kommunikationsplanungen und Kreativprozesse integriert.
Alexandra Groß, Vorstand bei Fink & Fuchs und Gerhard Hellmeister, Gründer von innoWorks haben gemeinsam dieses Workshop-Konzept entwickelt. Beide geben in unserem Doppel-Interview Einblicke in diese gar nicht so ungewöhnliche Symbiose.
Herr Hellmeister, Sie sind seit vielen Jahren Berater für Design Thinking Prozesse, um unterschiedliche Problemstellungen in Unternehmen und Organisationen zu lösen. Was ist so reizvoll an diesem Kreativprozess?
Gerhard Hellmeister: Es kommt mir so vor, als ob wir in einer Zeit leben, wo wir häufig Antworten haben, aber feststellen müssen, dass sich die Fragestellungen radikal geändert oder an Komplexität zugenommen haben. Wie bei der ganzen „Flüchtlingsdiskussion“ sichtbar wird.
Das gilt sowohl für gesellschaftliche Fragen als auch für die Herausforderungen vor denen Unternehmen stehen. Design Thinking ist mehr als nur eine Kreativmethode. Was vielleicht ursprünglich als Innovationsmethode für Produkte und Services in Stanford entwickelt wurde, entwickelt sich zu einem Bezugsrahmen für organisatorischen und gesellschaftlichen Wandel. Im Kern geht es um die Anwendung einer neue Art der Zusammenarbeit und der Kommunikation. Gerade Unternehmen mit klassischen und durchorganisierten Strukturen stoßen mit ihrer Innovationsfähigkeit an Grenzen. Design Thinking fordert gewohnte Denkweisen heraus und kann für Unternehmen eine Art „Transmissionsriemen“ sein, auch für radikale Veränderungen.
Dieser strukturierte Prozess stellt den Kunden selbst und damit den Menschen in den Vordergrund. Ist das denn bei der Erfindung neuer Produkte und Services nicht automatisch der Fall?
Gerhard Hellmeister: : Unternehmen, die meinen, die Bedürfnisse ihrer Kunden zu kennen und sich immer noch alleine auf ihre Umfragen und Fokusgruppen verlassen, sind in ihrer Grundsubstanz eher bedroht. Das iPhone wurde auch nicht durch Kundenbefragungen, sondern durch eine konsequente Analyse menschlicher Bedürfnisse erfunden. Die technische Entwicklung kam erst danach. Das Verständnis und die Schaffung positiver Kundenerfahrungen ist daher, vor allem in vergleichsweise gesättigten Märkten und in Branchen mit überdurchschnittlich starker Konkurrenzsituation, einer der kritischsten Erfolgsfaktoren.
Immer mehr Kunden sind eher bereit, für die Gefühle zu zahlen und nicht mehr nur für ein greifbares Produkt oder einen funktionalen Service. Dieser Übergang von einer rein güter- und serviceorientierten Ökonomie hin zu einer erlebensorientierten Ökonomie bestimmt auch die Kommunikation mit dem Kunden.
Individuelle Erlebnisse sind sehr komplex. Die psychologische Forschung konnte zeigen, dass die Entstehung positiver Gefühle etwas mit der Erfüllung bestimmter grundlegender Bedürfnisse wie Verbundenheit, Bedeutung, Kompetenz, Stimulation und Sicherheit zu tun hat.
Alexandra, was hat Fink & Fuchs dazu gebracht, Design Thinking in der Planung von Kommunikationskampagnen einzusetzen?
Alexandra Groß: Wir arbeiten schon seit einigen Jahren sehr erfolgreich mit innoworks bei der Neugestaltung unserer Arbeitsmethodik zusammen. Und da ging es immer wieder mal um Design Thinking. Schließlich haben wir eine erste Auswahl an Mitarbeitern durch einen 3-tätigigen Design Thinking Workshop gelotst. Im Kern ging es dabei um schnelle Methoden im Kreativprozess und um den Kunden unserer Kunden, der einen anderen Stellenwert im Kommunikationsplanungsprozess erhalten hat. Das klingt erstmal ziemlich banal, ist es in der Praxis aber nicht.
Gerhard Hellmeister: Es sind eigentlich zwei Punkte. Zum einen halte ich die klassische Arbeitsweise von Agenturen: Briefing/Re-Briefing, Analyse, Präsentation….vielleicht noch maximal mit einem Workshop garniert für schlichtweg überholt. Das Ergebnis sind oft unzufriedene Kunden und viel Zeit, die verloren geht. Die Arbeitskultur muss sich weiterentwickeln und das Arbeitsgefüge mehr und mehr in Richtung agiler Projektgruppen weiterbilden. Design Thinking und weitere agile Methoden wie Scrum eignen sich hervorragend, um die Arbeitsweise innerhalb der Agenturen, aber auch gemeinsam mit dem Kunden auf eine produktivere Stufe zu stellen. Die Effekte sind zufriedenere Kunden mit innovativeren und passgenauen Kommunikationskonzepten und auch weniger Frust bei den Agenturen. Kurz gesagt ist Design Thinking das Denkmuster, das Agenturen helfen kann, sich „neu zu erfinden“.
Zum anderen ändert sich der Transformations- und damit Kommunikationsbedarf in Unternehmen gerade gewaltig. Die digitale Transformation und konsequentere Ausrichtung auf den Kunden verbunden mit dem Druck, mit der Innovationskraft von Start Ups zu konkurrieren, stellt Kommunikation und Co-Kreation in den Mittelpunkt. Kommunikations- und Medienagenturen haben hier definitiv ihre Kompetenzen, die im Idealfall auch noch zu neuen Geschäftsmodellen führen können.
Aber stellen Kommunikatoren denn nicht automatisch den Kunden in den Vordergrund, wenn sie Kommunikationskampagnen entwickeln?
Alexandra Groß: Ich denke, dass vor allem die klassischen Werbeagenturen hier wesentlich weiter sind. Leider ist es aber viel zu oft noch Usus, dass erst nachdem ein Produkt entwickelt und zur Marktreife gebracht wurde, die Kommunikationsabteilung oder die Agentur dazu gerufen werden. Spätestens, wenn wir mit einer umfangreichen Zielgruppenanalyse starten, stellen wir immer mal wieder fest, dass das Produkt an der genannten Zielgruppe vorbei entwickelt wurde.
Gerhard Hellmeister: …und die vermeintlichen Zielgruppen nie gefragt wurden. Strukturierte Interviews, die wichtigen Input für einen agilen Planungsprozess bieten, sind ein wesentlicher Bestandteil im Design Thinking. Ich habe auch schon erlebt, dass das ursprüngliche Produkt mit den wirklichen Bedürfnissen des Kunden, die im Interview herauskommen, nichts zu tun hatte.
Alexandra Groß: Der Hauptunterschied zu anderen Kreativmethoden und –prozessen ist, dass der Mensch in den Mittelpunkt der Methode gestellt wird. Das Produkt selbst und das Unternehmen treten erstmal in den Hintergrund. Das ist der wichtige Perspektivwechsel, den Kommunikatoren vollziehen müssen.
Wie muss man sich so einen Kreativprozess à la Design Thinking in der Kommunikationsplanung nun vorstellen?
Alexandra Groß: Unseren Ansatz nennen wir Human Centered Communication, Ausgangs- und Mittelpunkt sind immer die Käufer und Nutzer. Design Thinking unterstützt uns dabei, uns noch besser in die Lebenswelten von Menschen hineinzuversetzen. Für sie werden schließlich Produkte und Kommunikationskampagnen entwickelt. Wir unterscheiden im Übrigen auch nicht zwischen B2C- und B2B-Angeboten. Design Thinking liefert dabei kein neues Set an Werkzeugen. Ganz im Gegenteil. Bekannte Methoden wie Touchpoint-Analyse, Persona zur Konkretisierung von Zielgruppen, Interviewreihen, Flip-Flop-Methode, Prototyping, Storyboarding, um nur einige zu nennen, kommen unter ganz neuen Blickwinkeln zum Einsatz.
Kurzum: wir fragen von Anfang an, wie wir die Menschen und ihre Bedürfnisse optimal mit der richtigen Botschaft über den besten Weg erreichen. Das Prinzip Gießkanne hat mit Design Thinking definitiv ausgedient.
Gerhard Hellmeister: Dabei ist viel Empathie gefragt. Nur wer es im Design Thinking schafft, sich wirklich in die Zielgruppe hineinzuversetzen und diese zu verstehen, findet die beste Lösung. Eine weitere Voraussetzung möchte ich noch erwähnen: Design Thinking lässt alle Wege zum Ziel zu. Das ist System-immanent. Der ganze Prozess ist agil und unterliegt ständigen Veränderungen. Um so wichtiger ist es, Entscheider frühzeitig in Prozess-Ergebnisse einzubeziehen und einen permanenten Zielabgleich – zwischen Unternehmens- und Kommunikationszielen – vorzunehmen.
Was ist denn die ideale Zusammensetzung in diesem Prozess?
Gerhard Hellmeister: Je unterschiedlicher die Menschen und Kompetenzen, desto besser. Wenn die unterschiedlichen Bereiche und Fachdisziplinen im Innovationsprozess zusammenkommen, können richtig gute Dinge entstehen.
Alexandra Groß: Das Ringen um das beste Ergebnis ist ein ungewohntes und auch sehr anstrengendes Herangehen an den Kreativprozess. Je unterschiedlicher die Beteiligten auf eine Problemstellung schauen und diese bewerten, desto facettenreicher ist das Ergebnis. Leider fehlt dazu oft die Zeit. Kreativprozesse passieren meist nebenbei, dürfen nur wenig Zeit in Anspruch nehmen und ein schneller Konsens steht im Vordergrund. Kein Wunder, dass Perspektivwechsel zu kurz kommen.
Was kann man denn tun, um agil und offen für unterschiedliche Blickwinkel zu bleiben und dies in die eigene Arbeitswelt zu integrieren?
Gerhard Hellmeister: Reisen! Möglichst in Länder, deren Kultur man am wenigsten versteht. Oder für morgen mal einen anderen Weg zur Arbeit zu nehmen.
Alexandra Groß: Oder unsere Workshop-Reihe besuchen, die innoworks und Fink & Fuchs im März 2016 als offenes Seminar anbieten. Wir wollen zeigen, wie einfach Design Thinking in die Kommunikationsplanung integriert werden kann – an ganz konkreten Beispielen.