„Keine Zukunft, nicht empfehlenswert …“. Äußerungen wie diese hören Unternehmen im Wettbewerb um talentierte Mitarbeiter nicht gerne. Entsprechend betrachten viele Unternehmen die zunehmende Popularität von Arbeitgeber-Bewertungsportalen wie Kununu als unheilbringenden Fluch. Mehr als 530.000 sogenannte Erfahrungsberichte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz versammelt beispielsweise der Primus Kununu mittlerweile auf seiner Seite. Interessierten Arbeitnehmern verspricht das Portal „Insider-Informationen“ aus 153.000 Unternehmen, der Nutzer soll seinen Arbeitgeber loben oder auf Verbesserungsmöglichkeiten hinweisen – „absolut sicher und anonym“.
Gesteigertes Gewicht hat das aus Österreich stammende Unternehmen mittlerweile dadurch bekommen, dass es vom Business-Netzwerk XING übernommen wurde. Die spontane Bewertung der Firma ist jetzt nur noch ein Klick von der regelmäßigen Pflege der eigenen Kontakte entfernt. Altgedienten Personalern jagt genau diese Bewertungsmöglichkeit einen eisigen Schauer über den Rücken. Denn sie wissen um die Neigung, das eigene Unternehmen gerne dann zu bewerten, wenn man es gerade verlassen hat. Und nicht jeder Mitarbeiter geht mit Wehmut oder gar Tränen in den Augen – ja, manche hegen sogar Rachegelüste. Auch wir selbst haben diesen Fall schon erlebt und lernen müssen, damit umzugehen.
Hilft der Anwalt?
Wer sich als Arbeitgeber mit einer negativen Bewertung und möglicherweise noch einer detaillierten Beschreibung vermeintlicher Missstände bei einem der Portale wiederfindet, greift oft reflexartig zum Hörer, um den Firmen-Anwalt gegen die anonyme Diskreditierung zu mobilisieren. Doch der juristische Ansturm auf die Bewertungs-Bastionen prallt regelmäßig an diesen ab. Bei Kununu und Jobvote hat man umfangreiche Erfahrung mit Arbeitgeber-Beschwerden und ist gleichermaßen immun gegen Schmeicheleien und Drohungen. Die Betreiber selbst sind sich der Bedeutung der Einträge durchaus bewusst und deshalb von sich aus bereits um Qualitätssicherung bemüht.
Verleumdung und Geschäftsschädigung wollen auch sie nicht auf ihren Portalen haben und im Falle tatsächlicher Rechtsverstöße reagieren sie prompt, wenn man sich an sie wendet – meist auch ohne Anwalt. Aber von wenigen extremen Ausnahmen einmal abgesehen, ist die subjektive Notenvergabe durch Beschäftigte rechtlich einfach nicht zu beanstanden. Wer wollte etwa ernsthaften behaupten, eine allgemeine Einschätzung zum Arbeitsklima fiele unter das Betriebsgeheimnis? Was sich auf den Bewertungs-Portalen wiederfindet sind Dinge, die man sich früher am Stammtisch erzählt hat und die am nächsten Morgen vielleicht schon wieder vergessen waren. Doch das Internet vergisst nichts.
Wie wehren wir uns?
Nach dem gescheiterten Anlauf mit dem Anwalt folgt meist ein ebenso untauglicher zweiter Versuch der Unternehmen, auf die Bewertung Einfluss zu nehmen. Das Korrektur-Kommando rückt aus. Für jede gefundene schlechte Bewertung müssen zwei gute „eingetragen“ werden. Und nachdem die Personalleiterin und ihr Referent dem Unternehmen selbst schon Bestnoten verliehen haben, geht die mühevolle Suche nach weiteren Fürsprechern in den eigenen Reihen los. Dem langgedienten Mitarbeiter wird ebenso zuckersüß seine unfreiwillige Loyalitätsbekundung abverlangt, wie dem verängstigten Azubi.
Und der übereifrige Kollege aus dem Produktmanagement ist sogar von selbst drauf gekommen, dass die Schmähkritik im Netz nicht so stehen bleiben kann. Das Manko aller solcher Beiträge: sie sind nicht authentisch. Und Nutzer erkennen dies schnell. Sie sind schließlich selbst auch Arbeitnehmer und wissen, was man üblicherweise schreiben würde, oder auch nicht. Die Steigerung dieser untauglichen Herangehensweise ist nur noch der Wunsch an die PR-Agentur: „Schreibt uns doch mal was Gutes!“
Wohin mit dem Ärger?
Was also tun, mit diesen Bewertungsportalen? Wie umgehen mit schlechten Bewertungen? Ansätze, am eigenen Image zu feilen, bieten die jeweiligen Portale bereits selbst an. So können Unternehmen beispielsweise gegen ein geringes Entgelt ab 395 Euro pro Monat das „Employer Branding Profil von XING und Kununu erwerben“. Zitat eines Personalleiters hierzu: „Modernes Schutzgeld“. Ja, natürlich steckt hinter der Möglichkeit zur Arbeitgeberbewertung auch ein Erlösmodell.
Nicht zuletzt deshalb stellen viele Personalverantwortliche die Frage „Fluch oder Segen?“ gar nicht. Beim Thema Arbeitgeberbewertung sehen sie nur die Wahlmöglichkeit zwischen unliebsamen Alternativen, jede Herangehensweise ist also „Fluch“. Doch Pessimismus hilft nicht weiter. Und ob ein Unternehmen will oder nicht, es muss sich ernsthaft mit der Frage befassen, welche Bedeutung Arbeitgeber-Bewertungsportale für die eigene Personalarbeit aktuell haben oder in der Zukunft bekommen werden.
Zurück zur Sache!
Ob eine Zusammenarbeit mit Bewertungsportalen für Unternehmen sinnvoll ist oder nicht, lässt sich nicht generell beantworten, sondern nur im Einzelfall prüfen. Als Faustregel für Unternehmen lässt sich festhalten: Hop oder top. Entweder, man bleibt ganz draußen und kümmert sich nicht darum oder man lässt sich darauf ein und betreibt aktive Imagepflege.
Wer sich beispielsweise als modernes, aufgeschlossenes, offenes, transparentes Unternehmen zeigen möchte und als Arbeitgeber eine Zielgruppe bedient, die genau diese Eigenschaften sucht, kann durchaus von den Portalen profitieren. Vor allem Großunternehmen sehen sich zur Mitwirkung veranlasst, schon aufgrund der statistischen Wahrscheinlichkeit, häufiger aufzutauchen. Aber auch aus einem Selbstverständnis heraus, dass die eigene Souveränität über die aktive Arbeit auf den Portalen dokumentieren soll.
Das bedeutet dann aber auch, das negative Feedback ebenfalls anzunehmen, zu akzeptieren und zu analysieren. Zur nüchternen und selbstkritischen Analyse gehört beispielsweise die Frage, welche tatsächlich nützlichen Informationen man als Arbeitgeber auf Bewertungsportalen finden kann. Und wenn es nur die Erkenntnis ist, dass möglicherweise der Trennungsprozess wertschätzender gestaltet oder in andere Hände gelegt werden könnte, um böses Blut zu vermeiden.
Auf jeden Fall sollten Unternehmen im Umgang mit Bewertungsportalen eine gewisse Gelassenheit entwickeln und sich nicht gleich auf jede Provokation einlassen. Wem dies schwer fällt, für den ist das bewusste Ignorieren die bessere Lösung. Schließlich sollte man eines nicht vergessen: auch potenzielle Bewerber können die Portale und die dort zu findenden Kommentare einordnen und gleichen diese mit anderen Informationen ab. Ausschließlich als Fluch sollte man die Bewertungsportale also keinesfalls einordnen. Denn wie wusste schon Goethe: „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen.“