20 Jahre Blogs – Interview mit Prof. Dr. Ansgar Zerfaß

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Professor Dr. Ansgar Zerfaß, Institut für Kommunikationsmanagement in Politik und Wirtschaft, Universität Leipzig

Kürzlich veröffentlichte der Guardian einen Artikel zu Ehren des 20-jährigen Jubiläums von Blogs und befragte dazu drei Internet-Pioniere. Vor allem in Deutschland haben Blogs lange um einen Platz im Mix der Online-Kommunikation gekämpft. Heute haben sich vor allem Fach-Blogs etabliert. Blogger Relations sind zu einem wichtigen Bestandteil moderner Unternehmenskommunikation geworden.

Und auch Unternehmen haben Blogs für sich entdeckt: “Corporate Blogs sind aus dem Portfolio der Kommunikation nicht mehr wegzudenken”, so Prof. Dr. Ansgar Zerfaß von der Universität Leipzig, den wir in einem Kurzinterview zur Bedeutung der “virtuellen Tagebücher” befragt haben. Er untersucht bereits seit vielen Jahren die Entwicklung von Blogs im Rahmen der Unternehmenskommunikation aus wissenschaftlicher Perspektive.

Welche Bedeutung haben Blogs im Rahmen der Unternehmenskommunikation heute?

Corporate Blogs sind aus dem Portfolio der Kommunikation nicht mehr wegzudenken. Dabei ist das Spektrum denkbar breit: temporär als Baustein einer Kampagne, begleitend zu einem Event, fokussiert auf ein oder mehrere Themen, beispielsweise CSR bei Scout 24, oder sogar als Dreh- und Angelpunkt der Social-Media-Aktivitäten wie beim Daimler-Blog. Dezidiert personalisierte Blogs von Vorständen und CEOs, wie beispielsweise von Bill Marriott in den USA, findet man hierzulande allerdings kaum; das ist wohl eine Mentalitätsfrage.

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Der Einsatz eines Blogs im Rahmen der Unternehmenskommunikation kann sehr vielfältig sein, wie dieses Schaubild zeigt. (Quelle: Ansgar Zerfaß, Dietrich Boelter: Die neuen Meinungsmacher. Weblogs als Herausforderung für Kampagnen, Marketing, PR und Medien. Graz: Nausner & Nausner 2005)

Natürlich nutzen längst nicht alle Unternehmen die Möglichkeiten, die Blogs bieten. Das kann durchaus sinnvoll sein. Denn nicht in jedes Kommunikationskonzept passt ein Blog hinein. Manchmal gibt es auch bessere Alternativen – im Mittelpunkt sollte immer die Strategie stehen, nicht das Tool als solches.

Wie sieht es mit der Bedeutung speziell in Deutschland aus?

Unsere Studien zeigen, dass europaweit derzeit ein Viertel aller Organisationen Blogs als PR-Instrument nutzen. In Deutschland sind es 33,7 Prozent – also deutlich mehr. Damit liegt Deutschland auch vor den Nachbarländern Schweiz und Österreich, die eher Nachzügler sind und bei rund 20 Prozent Nutzung liegen, fast gleichauf mit den USA. Authentizität und Reichweite spielen bei uns also auch eine wachsende Rolle.

Wohin geht die Reise: Wie sieht die Zukunft von Blogs aus?

Meine Prognose ist, dass Social-Media-Plattformen immer stärker zusammenwachsen – viele Funktionen von Blogs kann man inzwischen auch mit anderen Diensten realisieren. Jenseits der kreativen Ideen der Kommunikatoren kommt es deshalb vor allem auf die Nutzer an. Werden sie weiter bereit sein, regelmäßig einzelne Blogs zu nutzen oder die dort generierten Inhalte über Plattformen wie Facebook und Twitter zu lesen?

Zweitens wird der Trend zur mobilen Internetnutzung vieles entscheiden. Wenn die Online-Kommunikation künftig über wenige Apps und nicht so sehr über den Browser genutzt wird, haben es Blogs schwer. Wer Apps bespielt, die auf dem Startscreen der Smartphones liegen, hat es deutlich leichter.

Schließlich wird Bewegtbild-Content bei Blogs künftig eine noch wichtigere Rolle spielen – statt langen Texten sind kurze Videos gefragt, die man beispielsweise über Vine oder Instagram einbinden kann.

Was war Ihre bisher schönste, skurrilste oder witzigste Blog-Erfahrung?

Bei Unternehmens-Blogs findet man viel Interessantes, aber wenig Spaß. Also bleibt Tumblr und hier würde ich natürlich das bessere Berlin empfehlen!

Beispiele für deutsche Corporate Blogs

Der Blog im Newsroom von Hahnemühle zeigt, wie ein Mittelständler seine globale Community informiert. Der mit responsivem Design für Mobilgeräte optimierte Newsroom bündelt die gesamten Digital und Social Media Aktivitäten des Herstellers von hochwertigen Papieren für Künstler oder technische Anwendungen.
Das Web 2.0 wirft viele Rechtsfragen auf, z.B. zum Urheberrecht. Rechtsanwalt Dr. Carsten Ulbricht widmet seinen Blog “Recht 2.0 – Internet, Social und Recht” diesen Themen, der Beschreibung nach sind  Kernthemen “Social Media, E-Commerce und Enterprise 2.0”, verlinkt, kommentiert und hilfreich.
Optisch ein Highlight und von Kopf bis Fuß durchdacht: Das Bloghaus von Yello Strom. Wo hat der Endverbraucher die meisten Berührungspunkte mit Strom? Im Wohnzimmer. Und so sieht nicht nur der Blog aus – auch das Büro des Social-Media-Teams. Thematisch gehts um Strom und die “Yellos”.
Das Blog Connected berichtet zur Digitzalen Transformation. Gut 400 Beiträge von Experten, Präsos und Messe-News widmen sich Digital Marketing, Mobility, E-Commerce oder digitaler Messewelt. Responsives Design für optimierte Mobilnutzung und eng verzahnt mit der Social Media Landschaft der Messe: mit gut 80 Kanälen mit über 400.000 Fans/ Followern.
Geschrieben von Fashion-Liebhabern für Fashion-Liebhaber: Warum in unzähligen Mode-Blogs stöbern, wenn im Otto Blog “Two for Fashion” schon alles zu finden ist? Hier steht das Produkt im Vordergrund: Mode. Aber nicht nur Mode von Otto, sondern alles rund um das spannende Thema. Geschrieben von zwei Frauen und vielen Gastbloggern.
Die neueste Entdeckung in der deutschen Blog-Landschaft ist Curved.de: Eine Initiative der E-Plus Gruppe. Ein Portal, das die mobile Welt beschreibt und Fokus darauf, was “das mobile” mit unserem Leben macht. Als Autoren wurden gestandene Tech-Journalisten an Land gezogen. Die Marke E-Plus steht nur im Impressum.

Veröffentlicht von

Stephan Fink

Stephan Fink, Member of the Board & CEO of communications agency Fink & Fuchs Public Relations AG, Wiesbaden, Berlin, München