Social Media für Kunst & Kultur – so das Thema des 8. Twittwoch Rhein-Main, der am Mittwochabend an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach zahlreiche Besucher lockte. Die Riege der ReferentInnen war diesmal rein weiblich und sie hatten sehr interessante Vorträge im Gepäck.
Nach einer kurzen Ansprache von Prof. Dr. Bernd Kracke, Präsident der Hochschule für Gestaltung, und einer kurzen Einführung von Wibke Ladwig, die als Moderatorin durch den Abend führte, eröffnete Daniela Bamberger, Content Managerin beim Städel Museum in Frankfurt, die Runde. Seit viereinhalb Jahren sei sie nun für das Städel in Social Media aktiv – und auch sie stand eingangs vor der typischen Frage: Duzen oder siezen wir unsere Follower und Fans? Durchgesetzt hat sich für sie im Großen und Ganzen das “Du”. Die verbreiteten Inhalte varriieren, von Veranstaltungsankündigungen oder Dokumentationen über Blicke hinter die Kulissen bis hin zu Tweets zu einzelnen Künstlern ist alles dabei.
Doch wie forciert man mehr Interaktion, wie erfährt man mehr über die Menschen, die dem Twitter-Account folgen? Mehr aus einer spontanen Idee heraus rief Daniela Bamberger passend zu einer Ausstellung und dem begleitenden KultUp im Herbst 2012 zu einer (Mirco-) Bloggingparade auf. Die Follower sollten den folgenden Satz ergänzen: “Ich bin ein schwarzer Romantiker, weil …”. Die Resonanz war super und viele Blogs berichteten über die Aktion.
Neben Twitter bespielt das Städel auch eine Facebook-Seite – besonders Fotos zeigen hier Einblicke hinter die Kulissen – und ausführlichere Themen finden Platz im Städel Blog auf der Webseite. Ergänzend präsentiert der Youtube-Kanal – in hilfreichen Listen sortiert – Videos zu Ausstellungen, Veranstaltungen, Sammlungen, Kunst und anderen Dingen rund um das Museum. Aus dem Publikum kam die Frage, ob es denn auch negative Resonanz gab. “Oh ja”, war die Antwort. Beispielsweise lange Warteschlangen in eisiger Kälte würden besonders gerne in Social Media kommentiert. Doch Daniela Bamberger und ihr Team bleiben da gelassen: “Da spürt man schon die Follower-Power. Mit so etwas muss man rechnen, wir haben dann Promotion-Leute rausgeschickt, die immer angezeigt haben, wie lange die voraussichtliche Wartezeit ist. Zusätzlich haben wir beispielsweise die aktuelle Wartezeit getwittert.”
Gefragt nach den Zielsetzungen des Online-Engagements des Städel, sagte Daniela Bamberger, es gehe nicht um mehr Besucher, sondern primär darum, neue Meinungsmittler zu finden und neue, jüngere Zielgruppen für das Museum zu begeistern, selbst wenn sie nur online vorbeischauen. Zudem sorgt online für eine Reduktion von Sachkosten bei Druck, Porto & Co. Auch die internationale Sichtbarkeit habe sich erhöht.
“Im Mittelpunkt meiner Aktivitäten im Netz steht immer der Mensch”, so die Fotografin, Journalistin und langjährige Bloggerin Heike Rost. Sie nutzt Twitter und Facebook, die zentrale Rolle spielen bei ihr jedoch ihre eigenen Blogs. “Aus der Leidenschaft fürs Denken, Schreiben und Fotografieren ist ein sehr themenzentriertes Blog geworden”, so beschreibt sie die Anfänge ihres Blogs “Image and View”. Bildersuchmaschinen seien dabei vollkommen bewusst ausgesperrt, um Urheberrechte zu schützen und die wahllose Nutzung ihrer Bilder im Netz zu unterbinden. Das Thema Urheberrecht ist vor allem auch in Heike Rosts Rolle als Mitglied im Verband “Deutsche Gesellschaft für Photographie” und des “Deutschen Journalistenverbands” ein wichtiges.
Nahezu überlebenswichtig ist die Selbstdarstellung im Social Web für Heike Matthiesen. Als Musikerin, die sich auf hohem Niveau der klassischen Gitarrenmusik verschrieben hat, nutzt sie Facebook, Twitter und Youtube, um neben ihrer Arbeit vor allem auch sich selbst zu präsentieren. “Facebook ist meine Stammkneipe, Twitter meine Spielwiese und Google+ die Messe”, beschreibt sie ihren Umgang mit dem Web. Auf eine eigene Webseite verzichtet sie komplett. Die Zielgruppen seien sehr unterschiedlich, doch sie präsentiere sich immer authentisch – so, wie sie eben sei. Eine Strategie gebe es nicht. “Ego-Spamming wie etwa nur Ankündigungen interessiert keinen”, so ihre Erfahrung.
Neben dem primären Ziel der Bekanntheitssteigerung hat sie erreicht, dass so gut wie keine Fehlbuchungen mehr vorkommen: “Früher kam das schon öfters vor. Heute weiß jeder, der mich bucht, was ihn erwartet und wie mein Stil ist.” Manch einer habe den Eindruck, dass sie pausenlos online ist, und sei erstaunt, wie man das denn bewältigen kann. Doch das sei ein Trugschluss: “Es ist genau andersrum: Ich übe vier bis sechs Stunden am Tag und in den Pausen gehe ich online.” Als absolutes MUST für Musiker sieht sie YouTube und Soundcloud an.
Interessent und gleichermaßen bedenklich waren Heike Matthiesens Worte zum Musikmarkt. Die Umsätze aus CD-Verkäufen oder bezahlten Downloads gingen bei allen Künstlern sukzessive zurück, besonders in speziellen Genres oder Nischen und unabhängig vom künstlerischen Niveau. Neue Abonnentenservices wie Spotify, die nur kleinste Beiträge für die Künstler einspielen, lassen die Verkaufszahlen weiter schrumpfen. Haupteinnahmequelle seien heute Konzerte. Die digitale Revolution frisst hier ihre Kinder.
Last, but not least kam Ulrike Schmid zu Wort. Sie organisiert KultUps und stellte das Konzept dahinter vor: Die Veranstaltung bringt Twitterer in Kultureinrichtungen im Raum Frankfurt zusammen, fördert den Gedankenaustausch unter ihnen und stößt auch online Diskussionen an. Beispielsweise die (Micro-) Bloggingparade des Städel war eine Aktion im Rahmen eines KultUps. Hinter den Veranstaltungen steckt viel Arbeit: Für die Kommunikation über Blog, Twitter, Flickr und weitere Social-Media-Profile ist eine sorgfältige Recherche notwendig und es wird ein Redaktionsplan erstellt, um dann bereits zwei Wochen vor dem eigentlichen KultUp kommunikativ auf das Thema und Event aufmerksam zu machen.
Bei der abschließenden Fragerunde kam das Thema Xing auf: Wird das Netzwerk genutzt? Die nahezu einheitliche Antwort: primär als erweitertes Adressbuch, aber nicht als Kommunikationsplattform. Abschließend plädierte Heike Rost für mehr Respekt für die Arbeit von Kunst und Kultur – meist sei den Menschen gar nicht klar, wie viel Arbeit hinter den Auftritten oder Kunstwerken steckt. Heike Matthiesen verglich den Aufwand fürs Üben mit dem Trainingspensum von Profisportlern.
Für die Zuhörer war es ein spannender Abend, der in sehr persönlichen Vorträgen ein lebhaftes Bild des Online-Alltags der Referentinnen vermittelte. Die spritzige Moderation von Wibke Ladwig hatte ebenfalls hohen Unterhaltungswert und die für einen Twittwoch außergewöhnlich gute Verpflegung, organisiert von den Offenbacher Studenten, trug zur angenehmen Atmosphäre bei.
Zu guter Letzt wurde noch der nächste Twittwoch angekündigt: Im September soll er auf der IAA stattfinden und sich mit “Social Media in der Automobilwirtschaft” beschäftigen.