„Ein Drittel meiner Redakteure haben kein Facebook, einige auch kein Handy – aber unsere Leser sind in Social Media unterwegs“, so Joachim Braun, der Chefredakteur des Nordbayerischen Kuriers. Eine interessante Aussage vor dem Hintergrund, dass beispielsweise der Axel-Springer-Verlag kürzlich meldete, 2012 zum ersten Mal mehr Umsatz mit dem Online- statt dem Print-Angebot erzielt zu haben. Sollte der Umgang mit Social Media nicht inzwischen zum Standard-Handwerk des Journalismus gehören?
Aufgeschnappt habe ich dieses Statement beim “5. Tag des Wirtschaftsjournalismus”, der am Mittwoch in Köln stattfand. Die Tagung wird alle zwei Jahre von der Kölner Journalistenschule ausgerichtet. Die Key-Notes hielten Bundesbank-Präsident Jens Weidmann und US-Medienanalyst Ken Doctor.
Jens Weidmann plädierte für klare und einfache Formulierungen: „Sie müssen für Otto Normalverbraucher verständlicher schreiben und berichten. Ich kann nicht in zwei Minuten Sendezeit den Stand der Krise erläutern. Das ist unmöglich. Zudem sind deutsche Talkshows nicht geeignet, um ruhige und angemessene Diskussionen zu führen. Es gibt nur drei Leute, die die Target-Salden verstehen: Einer ist gestorben, einer verrückt geworden und einer hat´s vergessen.“ Weitere Aussagen seiner Rede zur Krise der Notenbanken und dazu, wie der Mediendiskurs seinen Teil dazu beiträgt, kann man in einem Beitrag des Deutschlandfunks nachlesen.
Dass Print immer mehr zum Randprodukt wird, dozierte Ken Doctor, den kress online kurzer Hand als „US-Digital-Guru“ tauft. Er berichtete von den Verlusten, die die US-Medienlandschaft in den vergangenen Jahren gebeutelt haben – und nun auch in Deutschland zu beobachten sind. Aus seiner Sicht sind vor allem Wirtschafts- bzw. B2B-Medien stark betroffen, da ihre Leser prozentual gesehen eine eher kleine Gruppe ausmachen – und entsprechend schnell dem Sparzwang zum Opfer fallen. Die Zukunft liegt für ihn im Storytelling via Video oder Audio sowie im Blogging. Chancen sieht er auch darin, dass mobiles Surfen immer beliebter wird: Je höher das Verlangen nach Inhaltsformaten für mobile Endgeräte, desto eher seien auch kostenpflichtige Angebote für Tablets und Smartphones durchsetzbar.
Die Bedeutung von Social Media für den Wirtschaftsjournalismus fasste Roland Tichy, Chefredakteur der WirtschaftsWoche, in zwei Sätzen zusammen: „Social Media muss sein, ob man will oder nicht. Die Leser wollen dich anfassen und zurück kotzen.“ Hart ausgedrückt, aber ich denke, das entspricht wohl auch der Wirklichkeit.
In diesen Tagen haben wir wieder die Umfrage zu unserer langjährigen, globalen Studie „Digital Journalism“ gestartet – und sind gespannt, ob die Ergebnisse die Aussagen bestätigen. Bereits 2012 zeigte sie, dass sich Social Media fest im journalistischen Instrumentarium etabliert haben. Unter anderem gab mehr als die Hälfte der befragten Journalisten an, bei der Recherche auf Social-Media-Postings (von ihnen bekannten Quellen) zurückzugreifen.