Gestern Abend wurden die Ergebnisse des European Communication Monitor 2011, der größten europäischen Studie zum Stand der Public Relations veröffentlicht. Das Gemeinschaftsprojekt von Universitätsprofessoren aus elf Ländern, der European Public Relations Education and Research Association (EUPRERA), der European Association of Communication Directors (EACD) und dem Magazin Communication Director wird von Professor Dr. Ansgar Zerfaß am Institut für Kommunikationsmanagement und Public Relations der Universität Leipzig geleitet.
Untersuchungsschwerpunkte waren die zentralen Trends im Kommunikationsmanagement, die damit verbundenen Aufgabenstellungen, die Arbeitssituation von Kommunikationsmanagern und für Unternehmenskommunikation relevante Faktoren der Unternehmenskultur. Wie in den Vorjahren ist die Untersuchung eine gute Lektüre und bietet jede Menge Impulse für den Benchmark der eigenen Organisation. Die aus meiner Sicht wichtigsten Ergebnisse habe ich hier zusammengefasst.
Kommunikation zur Unterstützung von Geschäftszielen?
Als ich im European Communication Monitor 2008 las, dass die wichtigste Aufgabe des nächsten Jahres „Linking Business Strategy and Communication“ sei, fragte ich mich „Was haben die PR-Pros bislang getan? Ziellos und ohne Bezug zum Geschäft ein wenig kommuniziert?”
Das scheint sich stark geändert zu haben. 90,8 Prozent konzentrieren sich auf die Unterstützung von Business-Zielen, und immerhin 70,8 Prozent geben an, sich auch (mit-)verantwortlich für die Formulierung der Unternehmensstrategie zu fühlen. Diese Entwicklung ist wohl dem zunehmenden Bedeutungszuwachs von Kommunikation und der fortschreitenden Professionalisierung der Branche geschuldet. So sind Kommunikationsmanager in den letzten Jahren deutlich näher an die Unternehmensleitung gerückt. Bei über 75 Prozent der befragten Unternehmen ist der Leiter der Unternehmenskommunikation im Vorstand oder berichtet direkt an den CEO.
Wertbeitrag von Kommunikation
Bezüglich eines messbaren Wertbeitrags tun sich Kommunikationsverantwortliche anscheinend nach wie vor schwer. So sehen nur knapp die Hälfte der Befragten die Schaffung von finanziellen oder immateriellen Werten in ihrem Verantwortungsbereich angesiedelt. Die Stärken sieht man bei der Antizipation von Szenarien und konfliktbehafteten Themen sowie einem Beitrag zur übergeordneten Performance der Organisation; immerhin knapp 70 Prozent halten die Kommunikationsabteilung für unverzichtbar. Das lässt sich natürlich schwer messen.
Dennoch wird – so die Ergebnisse der Studie – immer häufiger von ROI (Return on Investment) gesprochen. Wobei die in diesem Zusammenhang genannten Kenngrößen wie Erreichung von Kommunikationszielen oder Beitrag zur Formulierung der Unternehmensstrategie auf ein diffuses Verständnis von ROI schließen lassen. PR-Berater scheinen hier ein tieferes Know-How zu haben, wahrscheinlich weil sie ihre Vorschläge stärker begründen und verkaufen müssen.
Was sind die kommenden Themen?
Wie nicht anders zu erwarten, sehen Kommunikationsmanager auch im Jahr 2011 die größte Herausforderung im „Umgang mit der digitalen Evolution und dem Social Web“ (54,9%), gefolgt von der “Anbindung von Kommunikation an die Unternehmensstrategie” (44,0%) und dem “Umgang mit Fragen rund um CSR / Nachhaltigkeit” (37,2%). Natürlich tauchen in der Liste auch die wachsenden Anforderungen bezüglich Transparenz, aktiven Zielgruppen, Vertrauen, Unterstützung von Change-Prozessen und steigende Bedeutung von Public Affairs und politischer Kommunikation auf. Die rasante Entwicklung des Social Web bekommt jedoch die größte Aufmerksamkeit, wie wir auch aus unserer Studie „Social Media Governance“ wissen, deren Ergebnisse für 2011 Ende August veröffentlicht werden.
Bei den Kommunikationsdisziplinen sehen Kommunikationsmanager Corporate Communications auch in den nächsten Jahren ganz vorne, wobei Interner Kommunikation/ Change Management, CSR / Nachhaltigkeit sowie Training / Coaching in der Zukunft ein deutlicher Bedeutungszuwachs attestiert wird. Bei den Kommunikationsinstrumenten erwarten die Befragten, dass Online-Kommunikation in den nächsten Jahren die klassische Medienarbeit auf Platz 1 ablösen wird. Aus Sicht der Onliner unter den Lesern besonders erfreulich: In drei Jahren sehen über 80 Prozent der Untersuchungsteilnehmer eine große Bedeutung von Social Media, verglichen mit aktuell 40 Prozent. Wobei die Wissenschaftler in einer schönen Folie darauf hinweisen, dass die im Jahr 2008 formulierten Zukunftserwartungen bzgl. der Bedeutung von Online / Social Media im Jahr 2011 bei weitem nicht erreicht wurden und sich Print-Media Relations nach wie vor gut behauptet haben. Ich bin gespannt auf 2014.
Social Media & Governance
Erstmals gestellt wurden auch Fragen der Social Media Governance, des Know-How und der umgesetzten Aktivitäten. Interessant ist hier, dass die Entwicklung bei Social Media Guidelines (39,6% der Teilnehmer haben welche) und Monitoring ( 33,3% tun es) deutlich über den im letzten Jahr formulierten Erwartungen liegt. Dafür wurde deutlich weniger als geplant in Trainings investiert und bei den immer häufiger gesuchten „Key Performance Indicators“ sehen sich nur 21 Prozent gut gerüstet. Ist Social Media eine „Talentdisziplin“, bei der man mit Trainings nichts bewegen kann oder ist das Thema so trivial? Wenn man die im Web erlebbare Wirklichkeit sieht, sollte aus meiner Sicht doch etwas mehr in Aus- / Fortbildung investiert werden.
Bemerkenswert finde ich, dass sich die Untersuchungsteilnehmer bei der Frage nach den eigenen Social Media Skills nur maximal mittelmäßige Kompetenz bescheinigen. Da man bei allen denkbaren Social Media Tools / Plattformen einen signifikanten Zuwachs erwartet, wird es dann auch endlich Zeit am eigenen Know-How zu arbeiten und sich kompetente Unterstützung in Form von Trainings oder Beratung einzukaufen.
Anforderungsexplosion und Fortbildungslücke
In der Prioritätenliste stehen bei Trainings aber noch immer „Präsentation“ und „Medientrainings“ weit vorne. Übrigens eine lesenswerte Liste für diejenigen, die sich unberechtigterweise fragen, was an Unternehmenskommunikation anspruchsvoll sei. Die wachsende Aufgabenfülle, die zunehmende Zahl an Handlungsoptionen und die steigende Bedeutung von Kommunikation machen Fortbildung zur Pflichtveranstaltung. Hier tut sich eine Lücke auf, die nur wenige Organisationen auch nur annährend zu schließen in der Lage sind.
PR-Professionals konstatieren „Negativ-Image“
Gut 40% der Befragten sieht das Aufgabenfeld und den Begriff Public Relations als beschädigt. Insbesondere durch negative Medienberichte leide das Vertrauen gegenüber Kommunikationsverantwortlichen. In Osteuropa und Großbritannien ist in der Wahrnehmung der Studienteilnehmer das Image von PR besonders schlecht. In Deutschland sehen „nur“ 45 Prozent die eigene Profession negativ bewertet. Interessanterweise schätzen PR-Berater das Image deutlich schlechter ein als Vertreter von Unternehmen. Ob diese Einschätzungen aus fehlendem Selbstbewusstsein, Wagenburgmentalität oder realistischer Betrachtung resultieren, hat die Studie nicht geklärt.
Die Mehrheit der Befragten meint auch, aus meiner Sicht zu Recht, dass der Begriff Public Relations zur Beschreibung der heutigen Aufgaben von Corporate Communications, Kommunikationsmanagement und strategischer Kommunikation nicht geeignet ist.
Egal, unter welcher Bezeichnung wir zukünftig segeln: Unser Berufsbild wird spannend bleiben. Wer sich oder seine Organisation einmal benchmarken möchte oder einfach Anregungen sucht, sollte auf jeden Fall einen Blick auf die Studieergebnisse werfen. Die Ergebnisse können unter www.communicationmonitor.eu heruntergeladen werden. Dort finden sich auch die Berichte aus den letzten vier Jahren.
Nicht vergessen möchte ich meinen Dank an die Initiatoren und die Sponsoren der Studie (Infopaq und Grayling) für die Durchführung der Studie und die Tatsache, dass Sie die Ergebnisse der breiten Fachöffentlichkeit online zur Verfügung stellen.
Nachtrag: der Report ist nun auch via Slideshare anschaubar
European Communication Monitor 2011 – ECM 2011
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