Von der Spende für den lokalen Handballverein über Volunteering-Programme bis hin zur nachhaltigen Ausrichtung des kompletten Wertschöpfungsprozesses und der Zulieferkette – das soziale, ökologische und ökonomische Engagement der Unternehmen ist vielfältig. Doch vor dem Hintergrund der anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise, damit zunehmendem Kostendruck und zusätzlich schrumpfender CSR-Budgets müssen sich Unternehmen verstärkt die Frage stellen: Sind die als Corporate Social Responsibility (CSR) verstandenen Maßnahmen wirklich Gewinn bringender Bestandteil des Kerngeschäftes oder doch nur philantropische Wohltat?
Untersuchungen zeigen, dass Verbraucher bei Kaufentscheidungen verstärkt Unternehmen berücksichtigen, die nachhaltig wirtschaften und handeln. So hat beispielsweise die Studie „Sozial und ökologisch verantwortliches Management und Nachhaltigkeit – Potenziale für Hersteller und Händler“ von Roland Berger Strategy Consultants und GfK Panel Services Deutschland im Sommer 2009 ermittelt, dass Konsumenten ein sozial und ökologisch verantwortliches Management wollen und dafür sogar höhere Preise in Kauf nehmen. Untersucht wurden Einstellungen und das Kaufverhalten von insgesamt 40.000 Haushalten.
Dass ethischer Konsum trotz der momentanen Krise das Potenzial hat, zum Fortschrittsmotor von morgen zu werden, ist eines der im September veröffentlichten Ergebnisse der „Otto Group Trendstudie 2009: Die Zukunft des ethischen Konsums“: Zwar spart ein Drittel der Deutschen aufgrund der wirtschaftlich angespannten Lage beim Konsum allgemein. So werden Anschaffungen von zirka zehn Prozent verschoben, 25 Prozent der Teilnehmer schränken sich bewusst ein. Anders ist dies aber im Bereich des ethischen Konsums, hier wird deutlich weniger gespart: Nur 18 Prozent der Befragten wollen Kauf und Verbrauch ethischer Produkte einschränken. Für die Entwicklung des ethischen Konsums in den kommenden fünf Jahren hat die Studie zentrale Herausforderungen identifiziert. Eine der größten Herausforderungen wird es danach für Unternehmen, Politik und Gesellschaft sein, die Gruppe der Desinteressierten – vor allem unter den jüngeren Verbrauchern – für das Thema zu gewinnen.
Ohne an dieser Stelle weitere Studien und Erkenntnisse diverser Befragungen zu bemühen: Unstrittig ist längst, dass es bei CSR nicht mehr allein um die Reputation von Unternehmen und Marken geht. Nachhaltiges Engagement als integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie ist ein nicht mehr zu unterschätzender Wettbewerbsfaktor. Die Sensibilität bei den Konsumenten für unternehmerisch verantwortliches Handeln nimmt zu, Verhaltensänderungen sind auszumachen.
Beschleunigt die Krise eine solche Entwicklung? „Aus unserer Sicht wirkt sich die Wirtschaftskrise in Deutschland bislang erstaunlicherweise kaum auf die private Nachfrage aus“, sagt Prof. Dr. Ansgar Zerfaß, Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, Universtität Leipzig. „Doch bei anhaltender Rezession sind zwei Trends absehbar: Einerseits der bewusste Konsum im Gefolge der quantitativ gar nicht so großen LOHAS-Bewegung (Lifestyle of Health and Sustainability). Soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit werden hier zum Verkaufsargument. Andererseits ist der Discount-Trend ungebremst. Doch auch hier sind inzwischen Mindeststandards der Verantwortung in fast allen Branchen etabliert. Kein Supermarkt ohne Bio-Lebensmittel, kein Lifestyle-Gadget im Markt der IT-Endgeräte ohne zertifizierte Produktionsstandards.“
Bisheriges CSR-Engagement auf dem Prüfstand
Ende 2008 gaben im Handelsblatt Business Monitor 74 Prozent von 800 befragten deutschen Top-Managern „Zurückhaltung und gute Unternehmensführung“ als richtige Strategie an, um die Krise zu überwinden. 27 Prozent plädierten zusätzlich für gemeinsame Kampagnen von Verbänden, um angeschlagene Reputation wieder herzustellen. Was allerdings nicht bedeute, dass Projekte, die gesellschaftliche Verantwortung dokumentieren, keine Rolle mehr spielen. Eine deutliche Mehrheit der Befragten unterstrich sowohl die Bedeutung als auch die Notwendigkeit, laufende CSR-Projekte weiterzuführen und bei den einmal gesetzten Schwerpunkten zu bleiben. „Im Grundsatz ist das richtig,“ sagt André Habisch, Professor für Christliche Sozialethik und Gesellschaftspolitik an der Katholischen Universität Eichstätt. „Die Unternehmen sollten allerdings kritisch prüfen, ob das bisherige CSR-Engagement seine Zwecke erfüllt hat.“
Die Krise hat in vielen Unternehmen zu Kostensenkungsmaßnahmen geführt. Auf den Prüfstand kommt so ziemlich alles, was nicht unmittelbar zum Kerngeschäft gehört. Dazu zählt häufig das CSR-Engagement im Sinne von Corporate-Citizenship-Maßnahmen. Aber auch Aktivitäten hinsichtlich sozialer Standards oder sonstiger CSR-relevanter Felder werden mit Fokus auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis stärker hinterfragt. Verfügbare Mittel können nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip verteilt, sondern müssen gezielt eingesetzt werden. Und selbst dort, wo CSR fester Bestandteil der Unternehmensstrategie ist, müssen sich die Verantwortlichen Fragen zur betriebswirtschaftlichen Vertretbarkeit ihres Handelns stellen.
CSR umfasst im Verständnis der Unternehmenspraxis eine große Bandbreite von Aktivitäten, angefangen bei Sponsoring und Mäzenatentum über Global-Compact-Standards bis hin zu Global-Compliance-Verpflichtungen. Im Vordergrund steht häufig das Generieren von Aufmerksamkeit. In Krisenzeiten reicht das nicht aus, so die Studie „PR 2009: Fokussierung, Rückschritt, Expansion? – Herausforderungen in Zeiten von Kommunikationswandel und Rezession“ der Universität Leipzig in Kooperation mit der Gesellschaft Public Relations Agenturen e.V. „CSR wird bislang vorwiegend aus Imagegründen betrieben, das zeigen unsere europaweiten Studien bei Kommunikations-Managern sehr deutlich“, resümiert Professor Zerfaß. „In Krisenzeiten rücken dagegen die Investoren und die Geldgeber in den Vordergrund. Wer einen klaren Bezug zwischen verantwortlichem Handeln und der Positionierung im Markt und in der Gesellschaft aufzeigen kann, wird auch bei diesen Stakeholdern mit seinen CSR-Konzepten punkten. Wer das nicht macht, muss die Segel streichen. Das ist ein klärender Prozess, der nur zu begrüßen ist.“
Vom Kerngeschäft entkoppeltes soziales Engagement hilft vielleicht kurzfristig, die Reputation zu verbessern, die Bindung und Motivation von Mitarbeitern zu steigern und auch punktuell einen Nutzen zu stiften. Doch langfristig laufen diese Aktivitäten ins Leere. Es gilt, soziale und ökologische Leistungen systematisch an Produkt-, Prozess und Dienstleistungsaktivitäten zu binden. Letztendlich sollte jedes CSR-Projekt der Prüfung standhalten, ob und welchen Nutzen es für die Gesellschaft bringt – und für das eigene Unternehmen. Zudem kann ein Wettbewerbsvorteil durch CSR-Maßnahmen nur erreicht werden, wenn Unternehmen die Bedürfnisse ihrer Stakeholder kennen, anerkennen, in die eigene – zumeist shareholdergeprägte – Verständniswelt integrieren und ausreichend erfüllen.
Nicht die Frage nach dem „Ob“, sondern das Hinterfragen des „Was“ und „Wie“ ist essenziell für einen Erfolg. Wurden die bisherigen Aktivitäten klar auf eine Verbesserung der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens ausgerichtet? Besteht eine Verbindung zwischen gesellschaftlichen und ökologischen Leistungen und dem betriebswirtschaftlichen Geschäftserfolg? Und: Existiert ein professionelles CSR-Management? Eine kritische Überprüfung dieser Punkte wird vermutlich häufig zur Folge haben, dass CSR-Aktivitäten nicht ab- sondern umgebaut, Aktivitäten konsolidiert und ein eindeutiges Profil entwickelt wird.
„Engagierte unternehmerische Verantwortung mit einer eindeutigen, transparenten Ausrichtung und einem qualifizierten Management ist unabdingbar“, sagt Stephan Becker-Sonnenschein, verantwortlich für Corporate Responsibility bei Telefónica O2 Germany. „Wir wollen das Leben der Menschen verbessern und gleichzeitig unser Unternehmen und die Gesellschaft voranbringen, indem wir neue Produkte als Basis moderner Informations- und Telekommunikationstechnologie entwickeln. Daraus leiten sich für Telefónica O2 in Deutschland vier am Kerngeschäft ausgerichtete Handlungsfelder ab. Das sind konkret Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen, die Bereitstellung innovativer Produkte und Services für benachteiligte Gruppen, der faire Umgang mit Mitarbeitern und schließlich der Umweltschutz. Der beispielweise reicht von einem zertifizierten Umweltmanagement bis hin zum fachgerechten Recycling von Alt-Handys.“
Dialog mit den Stakeholdern essenziell
Ziel der CSR-Kommunikation ist, der Öffentlichkeit zu vermitteln, dass die Aktivitäten des Unternehmens entlang seiner Wertschöpfungskette den gesellschaftlichen Erwartungen und Anforderungen entsprechen. Ohne professionelle CSR-Kommunikation können die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Potenziale der CSR nicht realisiert werden. Der Dialog mit den Stakeholdern, insbesondere mit den kritischen Anspruchsgruppen, ist zu einer Grundvoraussetzung für langfristigen Unternehmenserfolg geworden. Bislang kommunizieren die wenigsten Unternehmen die eigene gesellschaftliche Verantwortung und die Grundausrichtung ihrer CSR-Aktivitäten. „Tue Gutes und rede darüber“ – das Handeln nach diesem Prinzip scheint auf dem Feld der CSR zumindest noch nicht vollständig angekommen zu sein.
Verantwortungsbewusste Marken stehen bei deutschen Verbrauchern hoch im Kurs, so auch das Ergebnis einer Online-Befragung der Management-Beratung 2hm & Associates aus dem Mai 2009. Dabei zeigte sich, dass Verbraucher von den Unternehmen Transparenz erwarten: Für 71 Prozent der Befragten war es wichtig, von Unternehmen über den Erfolg sozialer Aktionen informiert zu werden. Fast alle Befragten (98 Prozent) fühlten sich allerdings bislang nicht ausreichend über das verantwortliche Verhalten von Unternehmen informiert.
Besonders in der Krise gilt: Glaubwürdige CSR-Kommunikation muss transparent, strategisch und langfristig sein. Nur so können Unternehmen erfolgreich und nachhaltig durch ihre CSR-Aktivitäten die Wahrnehmung als gesellschaftlich verantwortliches Unternehmen bei ihren Stakeholdern stärken. Denn Greenwashing-Vorwürfe von NGOs und Medien sowie mangelnde Glaubwürdigkeit des Unternehmens können schnell zu erheblichen Reputationsverlusten führen. Und ganz nebenbei: Dass gelebte – und damit auch vermittelte – CSR auch bei der Arbeitsplatzwahl vor allem hochqualifizierter Mitarbeiter zu einem immer wichtigeren Kriterium wird, belegen aktuelle Umfragen der Meinungsforscher Universum und Trendence. Eine Entwicklung, die allerdings auch schon vor Ausbruch der Krise zu beobachten war.
Wirtschaftsmedien erwarten Bedeutungsgewinn für CSR
Viele Medien betrachteten in der Vergangenheit kommuniziertes CSR-Engagement eher mit Zurückhaltung, da häufig genug unter dem Deckmantel der Corporate Social Responsibility schlicht Werbung für das Unternehmen und dessen Produkte gemacht wurde. Im Rahmen der Jahresumfrage 2009 unter 295 Wirtschaftsjournalisten stellte das Heroldsberger Wirtschaftsforschungsinstitut Dr. Doeblin kürzlich die Frage, welche Themenkomplexe für die Wirtschaftsberichterstattung der Redaktionen in den nächsten Jahren wichtiger werden. Das Top-Thema, für das man sich einen Bedeutungsgewinn erwartet, ist mit 58 Prozent „Soziale Verantwortung der Unternehmen/Nachhaltigkeit“. Gefolgt vom Thema „Konjunktur“ mit 53 Prozent.
CSR wird trotz der Krise nicht an Bedeutung verlieren. Sofern sie sich am Kerngeschäft orientiert, um als relevant und zum nachhaltigen Treiber für Wertschöpfung des Unternehmens wahrgenommen zu werden. Durch eine Implementierung von Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie können Unternehmen ihre Leistungsfähigkeit steigern, ihr Reputations-Management verbessern, die Beziehungen zu ihren Stakeholdern optimieren und sich dadurch deutliche, langfristige Vorteile sichern. Professor Habisch: „Wettbewerb und Druck auf die Preise ist eine wichtige Errungenschaft der Marktwirtschaft: Wir sollten das auch in der Krise nicht vergessen, denn dieser Umstand verbessert gerade die Lebenssituation sozial schwacher Konsumentinnen und Konsumenten. Verantwortungsbewusste Marken werden zeigen müssen, dass sie einen Mehrwert für die Kunden liefern. Wo das gelingt, dort bin ich um ihre wirtschaftliche Kraft nicht bange. Ganz gleich in welcher Branche.“
Gesellschaftliche Verantwortung sei als integraler Bestandteil der Unternehmensführung zu verstehen – und nicht als Mäzenatentum, Krisen-Support oder Schönwetter-Hobby der Vorstandsetage, meint auch Professor Zerfaß. „Ein klarer Bezug zum Produkt-Markt-Konzept, zu den jeweiligen Prozessen der Leistungserstellung und zu den sozialen Rahmenbedingungen ist unabdingbar. Die Unternehmenskommunikation muss dies immer wieder einfordern und darstellen.“