Wir interviewen in regelmäßigen Abständen branchenbekannte Experten zu PR-Themen wie beispielsweise allgemeinen PR-Trends, Online-PR, Innovationskommunikation, CSR oder PR in Zeiten des Medienwandels. Im aktuellen Interview haben wir Prof. Thomas Mickeleit, Director of Communications bei der Microsoft Deutschland GmbH, zum Thema “Corporate Twitter für die Kommunikation von Unternehmensthemen” befragt.
Nachdem Medien Twitter als Kanal zum Anteasern ihrer Online-Angebote entdeckt haben, begannen seit Anfang des Jahres auch deutsche Unternehmen damit, sich aktiv mit dem Thema zu beschäftigen. Sukzessive werden Twitter-Kanäle von Vertriebs-, Service- oder PR-Abteilungen gestartet, die sich mit unterschiedlichsten Inhalten und Strategien in der Twitter-Community etablieren möchten. Mit zwei kompletten Seiten in ihrer Print-Ausgabe hat nun auch die F.A.Z. dem neuen Micro-Blogging-Dienst den „Ritterschlag“ erteilt. Spätestens jetzt dürfte das Thema nun langsam in den Köpfen des Managements ankommen.
Auch wenn wir selbst schon mehrere Kunden beim Aufbau recht erfolgreicher Twitter-Kanäle unterstützt haben und die Nachfrage vom Markt zunimmt, sehen wir bei vielen PR-Verantwortlichen nach wie vor eine große Unsicherheit bezüglich “Aufwand und Nutzen” eines Engagements in die neue Plattform. Dies war für uns Grund genug, mit unserem Kunden Prof. Thomas Mickeleit, Director of Communications bei Microsoft Deutschland, und Betreiber eines der bislang erfolgreichsten deutschen Corporate-PR-Twitter-Känale zu sprechen.
Herr Mickeleit, wir sehen in Twitter aufgrund der einfachen Installation und Bedienbarkeit so etwas wie eine “Einstiegsdroge” auf dem Weg in Richtung Web 2.0 und auch PR 2.0. Nun betreiben Sie seit April mit twitter.com/MicrosoftPresse einen eigenen Kanal, der mittlerweile in Deutschland unter den TOP 10 der twitternden PR-Abteilungen rangiert.
Was hat Sie bewogen in Twitter einzusteigen?
Unser Twitter-Engagement steht ja erst am Anfang. Aber wir arbeiten seit längerem zusammen mit unserer Agentur an der Weiterentwicklung unserer PR-Infrastruktur und unserer PR-Ansätze in Richtung Web 2.0 und Social Media. Der Paradigmen-Wechsel ist da und wir stellen uns Schritt für Schritt darauf ein. Monitoring 2.0, Rich-Content-Pressemeldung, Rich-Content-Presse-Site, Bewegtbild, RSS, Tag-Clouds, Dialoge mit Web 2.0-Protagonisten usw. gehören schon heute zu unserem Alltag. Das Web 2.0 spielt für Microsoft und auch für unsere PR-Abteilung eine zentrale Rolle. Mehrere tausend Mitarbeiter – darunter sehr viele Experten von Microsoft – nutzen eigene oder Unternehmens-Blogs und mittlerweile gibt es schon mehrere hundert Mitarbeiter bzw. auch Abteilungen, die Twitter-Accounts betreiben (Beispiele am Ende des Interviews). Aufgrund seiner Einfachheit haben wir uns nach einer Beobachtungszeit entschieden, Twitter zu nutzen, da wir davon überzeugt sind, dass diese Art von Plattform eine Zukunft haben wird. Dies belegt auch die stark steigende Zahl der bei Twitter angemeldeten Benutzer und noch stärker die Zahl derjenigen, die Twitter – ohne Anmeldung – als Informationsquelle verwenden.
Welche Ziele verfolgen Sie mit twitter.com/MicrosoftPresse?
Konkret verfolgen wir mit unserem Twitter-Angebot einen gestaffelten Zielkatalog, den wir mit unserem internen Team und unseren externen Agenturpartnern sukzessive abarbeiten werden:
- Ausbau unserer Web-2.0-Aktivitäten und Sammeln von Erfahrungen
- Installation eines „Breitbandkanals“, über den wir auf die riesige Fülle an multimedialem Content von Microsoft, aber auch auf Inhalte Dritter aufmerksam machen können
- Sukzessive Vernetzung mit der Web-Avantgarde, die sich aus Bloggern, Journalisten, Web-2.0-Evangelisten, Vertretern von NGOs und innovativen Unternehmen zusammensetzt
- Perspektivisch Ergänzung unserer extrem hohen Zahl an persönlichen Dialogen um die Komponente „Dialoge im Netz“
- Und nicht zuletzt Monitoring kurzfristiger Themenentwicklungen sowie langfristiger Thementrends, die uns betreffen
Wie sind Sie vorgegangen?
Wir beobachten das Thema seit Herbst vergangenen Jahres. Im ersten Quartal 2009 haben wir dann die internen und externen Ressourcen gebündelt, ein inhaltlich-organisatorisches Konzept aufgesetzt und sind gestartet. Wir waren positiv überrascht von der schnell steigenden Zahl an Followern und es war spannend zu beobachten, wie unsere Themen aufgegriffen und diskutiert werden. Nun haben wir auch Themen, die tatsächlich global relevant sind, beispielsweise die neue Suchmaschine Bing, die Xbox oder Windows 7, die weltweit diskutiert werden und in Twitter-Analysen häufiger Talk-of-the-Town sind.
Außer über Hinweise auf unserer Presse-Site und in Pressemeldungen hinaus, haben wir bislang keine speziellen größeren Maßnahmen zur Bekanntmachung des Kanals eingeleitet. Tools zur Erhöhung der Follower-Zahl sind für uns tabu. Wir möchten sehen, wie sich das organisch entwickelt. Wir werden aber den Kanal in unserer großen Zahl an Eigen-Medien weiter promoten und streben auch eine Verzahnung mit den inhaltlich recht anspruchsvollen Twitter-Kanälen von Microsoft-Experten für ausgesuchte Themen an. Denn letztlich wird die Qualität der Inhalte über den dauerhaften Erfolg entscheiden.
Wie viele und welche Art von Inhalten stellen Sie über diesen Web 2.0 Kanal zur Verfügung?
Die Nachrichten-Dichte bei Microsoft ist wahrscheinlich so hoch, wie nur bei wenigen anderen Unternehmen. Da unsere Themen mehr oder minder jeden Computernutzer auf der Welt betreffen, haben wir die Verpflichtung, schnell, umfassend und offen alle relevanten Informationen bereitzustellen. Dies geschieht bei aktuellen Informationen via Pressemeldung, Bild, verstärkt Audio-/Video-Podcast oder Webcasts sowie einer Fülle an Hintergrundmaterial. Anschließend laufen diese News über die bestehenden Web-Angebote von Microsoft und die nachgelagerten Push-Angebote wie Newsletter. Parallel hat sich zudem eine Web 2.0 Community zu Microsoft aufgebaut, in der unsere vielen bloggenden und twitternden Kollegen aktiv mit der Community diskutieren.
Wir wollen mit unseren Tweets im ersten Schritt auf News, aber vor allem auch auf Hintergrund-Informationen aufmerksam machen, die für den Interessierten in den Tiefen des Web nicht sofort zu finden sind. Wir weisen zudem auf Events hin und haben von dort punktuell kleinere Live-Tweets eingestellt. Manchmal schlagen wir auch Links zu interessanten Inhalten von Dritten. Wir stehen hier nach knapp zwei Monaten aber noch am Anfang und sehen noch großes inhaltliches Potential, das wir sukzessive ausschöpfen werden. Das bisherige Feedback aus der Twitter-Community hat uns hier interessante Anregungen gegeben. Lassen Sie sich überraschen.
Und wie viel Zeit kostet Sie dies?
Twittern bedeutet eine zusätzliche Aufgabe für unsere PR-Abteilung. Wie die meisten PR-Kollegen in Unternehmen haben auch wir nur begrenzte Spielräume, noch zusätzliche Aufgaben zu übernehmen. Deshalb haben wir entschieden, einen Unternehmenskanal und keine Personenkanäle zu öffnen. Die interne Verantwortung trägt eine jüngere, Web 2.0-affine Kollegin, die von anderen Kollegen und der Agentur inhaltliche Anregungen bekommt. Zudem unterstützt die Agentur bei der konzeptionellen Weiterentwicklung und logistischen Umsetzung.
Bislang tweeten wir noch recht sparsam, aber das wird sich entwickeln. Durch den Einsatz entsprechender Tools können wir den Kanal sehr ökonomisch betreiben. Mit der weiteren Entwicklung in Richtung Dialogen wird der Aufwand steigen. Exakte Zahlen möchte ich zu einem so frühen Zeitpunkt noch nicht nennen, da wir uns eigentlich noch in der Start- und Lernphase befinden.
Betreiben Sie diesen Kanal als Broadcast-Informationskanal oder gehen Sie oder Ihr Team auch aktiv in Dialoge oder Diskussionen innerhalb der Twitter-Community?
Wie schon gesagt, nutzen wir Twitter, wie das übrigens auch die meisten Medien tun, derzeit noch fast ausschließlich als schnellen Broadcast-Informationskanal mit hoher Verlinkung zu eigenen Inhalten. Es ist interessant, die Diskussionen zum Thema Broadcast-Tweets in den USA zu verfolgen.
Wir sind auch schon von einzelnen Twitterern aufgefordert worden, in den Dialog zu gehen. Wir werden hier möglicherweise auch aktiv, müssen dies aber auch mit großer Umsicht tun. Das ist zu einem eine Frage der schieren Quantität und natürlich auch der verfügbaren Ressourcen. Zum anderen haben wir als offizielle Presseabteilung auch eine besondere Rolle, die auch die Zusammenhänge mit gesetzlichen Regularien nicht aus dem Auge verlieren darf.
Ich denke, wir werden sukzessive, aber sehr selektiv in einzelne Dialoge eintreten. Zudem können wir auch nicht der Ansprechpartner für alles und jedes sein. Die vielen Web-2.0-Kanäle von Microsoft-Experten bieten hier oftmals erheblich tiefergehende Informationen und schnellere Antworten, als wir dies in unserer Abteilung direkt leisten können.
Was ist bislang an “fühlbaren” und vor allem “messbaren” Erfolgen aus Ihrem Engagement in der „Twitter-Sphäre“ entstanden?
Ganz wichtig vorweg: Wir befinden uns auf einer steilen Lernkurve. Die schnell steigende Follower-Zahl hat uns überrascht, das Volumen an ReTweets ist gut und die Zahl an direkten Kommentaren auf unseren Tweet ist stattlich. Einen elementaren Einfluss bzgl. der Diffusion von Microsoft-Themen in der Twitter-Community kann man nicht alleine an unserem Kanal festmachen, da unsere Themen ohnehin schon flächendeckend im Web präsent sind. Vereinzelt gaben Tweets von uns jedoch Impulse für weiterführende Gespräche und Ansatzpunkte für weiterführende Medienberichterstattung. Interessant ist das Feedback unserer bestehenden persönlichen Kontakte. Unser Kanal wird begrüßt, konstruktiv-kritisch begleitet und man ist gespannt auf mehr.
Wie schätzen Sie die Bedeutung von Twitter für die weitere Veränderung der Medienlandschaft ein, und welche Implikationen sehen Sie für die PR?
Anfänglich als Plattform für chattende Teenager bespöttelt, hat Twitter sich zu einer erstzunehmenden Drehscheibe für News, Meinung und Dialog entwickelt. Wer dies aus PR-Sicht ignoriert, macht meiner Meinung nach einen Fehler. Nicht zuletzt auch aufgrund der nicht absehbaren Rückwirkungen auf die Medienlandschaft.
Wenn man die aktuell in Twitter laufenden gesellschaftlichen und politischen Debatten verfolgt, beispielsweise zum Thema Iran oder die aktuellen Datenschutz- und Bildungsdiskussionen, wird dies sehr plastisch. Ich beobachte die Entwicklung mit großer Spannung auch im Hinblick auf die Bundestagswahl. Am Themenverlauf zur Europa-Wahl konnte man sehen, dass die Twitter-Community das Thema erst recht spät und nicht mit Wucht aufgegriffen hat. Das wird zur Bundestagswahl anders sein.
Ich denke, in Twitter steckt noch eine Menge Potential und ich bin davon überzeugt, dass wir bei Microsoft aber auch meine Kollegen in Agenturen und Industrie da noch jede Menge Spaß dran haben werden, vorausgesetzt sie beginnen sich ernsthaft mit dem Thema auseinander zu setzen. Herr Mickeleit, nennen Sie uns zum Abschluss noch einen Ihrer Lieblings-Tweets? Das ist schwer, es gibt viele Gute. Aber vielleicht passend zur Wirtschaftskrise und der Notwendigkeit für PR, sich mit dem Thema Online-Interactive auseinander zu setzen: „Wer jetzt spart, hatte nie eine Strategie“ (Quelle: CR-Report)
Über Prof. Thomas Mickeleit
Prof. Thomas Mickeleit (51) ist seit 1. Juli 2006 Director of Communications bei der Microsoft Deutschland GmbH. Er verantwortet in dieser Position die Unternehmens- und Produktkommunikation. Mickeleit berichtet direkt an den Vorsitzenden der Geschäftsführung Microsoft Deutschland und Vice President International, Achim Berg. Er war vor seinem Eintritt bei Microsoft zweiter Mann in der Konzernkommunikation bei der Volkswagen AG in Wolfsburg und verantwortete dort die Unternehmenskommunikation. Von 1998 bis 2003 leitete er die Kommunikation von IBM in Deutschland. Davor war er unter anderem Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Grundig in Fürth. Thomas Mickeleit engagiert sich für die Professionalisierung seines Berufsstandes “Pressesprecher”, unter anderem durch Programme für die Nachwuchsausbildung und mit einer Honorarprofessur für Corporate Media und Interne Kommunikation an der University (FH) for Management and Communications (UMC) in Potsdam. http://twitter.com/MicrosoftPresse
Zusatzinformationen
Einige der mittlerweile über 50 deutschen Twitter-Kanäle von Microsoft und Microsoft Mitarbeitern in Deutschland:www.twitter.com/MicrosoftPresse – Offizieller Twitterkanal der Pressestelle Microsoft Deutschland
- www.twitter.com/babasave – Account von Bing Product Manager Frank Fuchs
- www.twitter.com/binggermany – Das Team von Bing Deutschland
- www.twitter.com/larsschm – Account von Lars Schmoldt: Aktuelles für IT Pro und Manager – rund um Microsoft TechNet und Technologien
- www.twitter.com/MSDN_News – MSDN Online Germany – News, Info, Webcasts, Artikel, Events, Community, CodeClips, Videos, MSDN Subscriptions and more
- www.twitter.com/MSDN_Foren – MSDN Foren bei MSDN Online Deutschland. In über 30 Kategorien können Entwickler diskutieren, sich austauschen und Feedback im Forum geben.
- www.twitter.com/CodezoneDE – Codezone.de – Das Developer Knowledge Network rund um Microsoft Technologien von Entwicklern für Entwickler
- www.twitter.com/Meverick – Kay Giza, Marketing Manager and MSDN Online Team-Lead at Microsoft Germany is blogging about Microsoft, Products, Technologies, MSDN, Community and more!
- www.twitter.com/raiffei – Microsoft Office und SharePoint Themen
- www.twitter.com/LoLoG – Lori Grosland, Technical Evangelist bei Microsoft Deutschland
- www.twitter.com/dreisechzig – Boris Schneider Johne rund ums Thema Xbox 360
- www.twitter.com/windowsgermany – Deutscher Windows Twitter Account