Auf der Hype-Kurve des IT-Research- und Beratungsunternehmens Gartner hat das Thema Web 2.0 den Höhepunkt überschritten und befindet sich gegenwärtig in der Konsolidierungsphase. Auch die Diskussion um den Einsatz neuer Medien in der Kommunikationsarbeit hat sich indes abgekühlt und die Themen werden nun kritischer beleuchtet. So auch auf dem letzten Fink & Fuchs PR-Pulse in München, wo Prof. Dr. Ansgar Zerfaß, Universität Leipzig, Stephan Becker-Sonnenschein, o2 Germany, und Hans-Jürgen Jakobs, Süddeutsche Zeitung Online, mit Stephan Fink, Fink & Fuchs PR, den Nutzen neuer Medienkanäle und -plattformen für die PR-Arbeit und deren Einfluss auf das Mediennutzungsverhalten diskutierten.
Aktuelle Erkenntnisse zum Web 2.0
Laut dem im Herbst 2007 durchgeführten European Communication Monitor, bei dem rund 1.000 PR-Verantwortliche aus 22 Ländern zu den Trends im Kommunikationsmanagement sowie der Public Relations befragt wurden, sehen die Befragten als wichtigste Herausforderung der nächsten drei Jahre die Auseinandersetzung mit der digitalen Entwicklung und dem Social Web. Weitere zentrale Arbeitsfelder wurden in der Forderung nach mehr Transparenz sowie in deutlich aktiveren Rezipienten gesehen, die verstärkt in kommunikative Prozesse eingebunden werden wollen. Dementsprechend wird der Online-Kommunikation, insbesondere im Bereich Presse- und Medienarbeit, bis zum Jahr 2010 eine deutlich höhere Bedeutung beigemessen.
Dennoch ist die Nutzung Neuer Medien in Deutschland bislang relativ moderat, wie der aktuellen ARD/ZDF Online-Studie von 2007 zu entnehmen ist. Die Zahl der Blogs stagniert wie die allgemeine Blogaktivität auf mehr oder minder hohem Niveau, Second Life scheint seinen Zenit überschritten zu haben und von den Millionen Youtube-Vidoes wird auch nur der kleinste Teil von vielen angeschaut. Einzig der Austausch über Communities ist von 2006 auf 2007 signifikant gestiegen. Größter Beliebtheit erfreuen sich laut IVW Online dabei Plattformen wie StudiVZ und SchülerVZ. Die Einschätzungen der oben befragten PR-Professionals, die in der Nutzung dieser Online-Plattformen große Chancen für eine effektive Ansprache insbesondere junger Zielgruppen sehen, spiegeln diesen Trend.
Nicht unerwähnt sollte der dramatische Anstieg der Zugriffszahlen auf die Online-Angebote eingeführter Verlage bzw. Medien bleiben. Für Spiegel Online, Süddeutsche.de, Welt.de und Kollegen war 2007 mit Zuwachsraten von 60 Prozent und mehr ein goldenes Jahr. Man bekommt den Eindruck, dass vom Web 2.0 nicht ausreichend versorgte Onliner auf der Suche nach glaubwüdigem Content zu den etablierten Absenderadressen zurückkehren. Neue Angebote wie “derwesten.de” von der WAZ-Gruppe oder zoomer.de aus dem Hause Holtzbrinck scheinen dies zu unterstreichen.
Bedeutung des Web 2.0 für Medien und Kommunikation
Welche Bedeutung haben diese Erkenntnisse nun für die Kommunikationsarbeit? Zunächst sollte man sich bewusst sein, dass wir uns mitten in einem kommunikativen Strukturwandel befinden, wie auch die kürzlich veröffentlichte Studie der GPRA in Kooperation mit der Universität Leipzig deutlich machte. Die technologischen Grundlagen wie Breitband-Internet, Mobile Kommunikation und Digital Lifestyle Hardware bilden dabei das Fundament und einen entscheidenden Treiber für ständig neue Plattformen und Tools. Hinzu kommen soziale und ökonomische Rahmenbedingungen. Während das Vertrauen der Menschen in die Meinung Gleichgesinnter wächst, nimmt die Akzeptanz von rund geschliffenen Werbe- und PR-Botschaften von Unternehmen, Institutionen und Medien stetig ab. Aktueller Beweis hierfür ist das Scheitern individualisierter Werbung auf der Online-Plattform StudiVZ, wofür die Verantwortlichen mit vorübergehendem Boykott der Nutzer klar abgestraft wurden.
Authentizität wird zum zentralen Erfolgsfaktor jeder Kommunikation. Laut Prof. Zerfaß ist heute eine transparentere Kommunikation gefordert, die einzelne Akteure braucht, die ehrlich kommunizieren und nicht nur hierarchische Verbandsspitzen, die ihre Botschaften verkünden lassen. Nur so lasse sich wieder Glaubwürdigkeit herstellen, die aktuell in vielen Branchen stark gelitten habe, so Zerfaß weiter. Neben die sozialen Rahmenbedingungen treten ökonomische Restriktionen. PR-Verantwortliche müssen sich stärker denn je Gedanken darüber machen, welche Kanäle sie aus finanzieller aber auch personeller Sicht bedienen können und wollen. Nicht alle PR-Abteilungen haben die Ressourcen und Budgets, um sich intensiv und aktiv mit dem technologischen und sozialen Wandel sowie der Relevanz für die eigene Kommunikation auseinanderzusetzen und darüber hinaus auch noch neue Tools auszuprobieren.
Integrierte Kommunikation 2.0
Angesichts der vielen neuen Möglichkeiten, mit seinen Zielgruppen zu Kommunizieren, bekommt die alte Forderung nach Integrierter Kommunikation eine ganz neue Bedeutung. Jedoch nicht dergestalt, dass man alle fest steuerbaren Kanäle zu einer möglichst schlagkräftigen Kommunikations-Keule bündelt, wie es bisher gängige Praxis war. Vielmehr gilt es, neue Instrumentarien, da wo sie sinnvoll sind, neben klassischen Kanälen auf offene und möglichst authentische Art und Weise einzusetzen. Hierzu gehört auch ein gewisses Maß an Kontrollverlust. Zudem nehmen immer mehr Mitarbeiter künftig am Kommunikationsprozess teil, ob Personalabteilung, Forschung & Entwicklung oder Produktmanager, die die Chance nutzen, um Verbraucherideen und -wünsche über offene Plattformen für das Unternehmen zu gewinnen. Dies erfordert auch neue Organisations- und Arbeitsformen in den PR-Abteilungen, die es bisher eher gewohnt waren, alle Aktivitäten zentral zu steuern. In Web 2.0-Zeiten ist letztlich jeder Mitarbeiter Botschafter des Unternehmens, ob gewollt oder ungewollt. Und je besser die eigenen Mitarbeiter informiert sind, desto besser und authentischer tragen sie die Botschaften nach außen. Insofern gilt das Gebot des integrierten Ansatzes auch für die interne Kommunikation.
Handlungsempfehlungen für Public Relations
Welche Handlungsempfehlungen lassen sich nun im Umgang mit dem Social Web für die PR-Arbeit ableiten? Blinder Aktionismus ist in jedem Fall zu vermeiden. Zunächst empfiehlt es sich zu beobachten, in welchen Kommunikationsräumen unternehmensrelevante Themen diskutiert werden, wo Meinungen entstehen und sich die eigenen Zielgruppen austauschen. Ein solches Web-Monitoring bietet vielerlei Chancen: Zum einen übernimmt es eine Art Frühwarnsystem, um kritische Stimmen bzw. Issues in Communities und Blogs aufzuspüren, bevor Sie von den klassischen Medien aufgegriffen werden. Zum anderen gibt es Auskunft über die relevanten Stakeholder-Gruppen. Drittens lässt sich die eigene Agenda mit den Themen abgleichen, die die Zielgruppen bewegen und gegebenenfalls korrigieren.
Weiterhin sollte man die verfügbaren neuen Tools – wo machbar – auch einmal in ihrer Funktionsweise in einem begrenzten Rahmen testen, beispielsweise einem internen Blog in einer Abteilung oder auch ein offenes Kundenforum für eine ausgesuchte Kundengruppe.
Und nicht zuletzt sollte man auch versuchen, mit für das eigene Unternehmen relevanten Protagonisten der Web 2.0-Welt in den Dialog zu gehen, egal ob bloggender Journalist oder meinungsführender Moderator einer Community. Der persönliche Austausch funktioniert auch dort meist wie in der vertrauten “analogen” Welt.
Erst wenn man diese Schritte einmal gegangen ist, lässt sich wirklich entscheiden, ob bzw. welche Form der Zielgruppenansprache über das Netz sinnvoll ist. Möglicherweise stellt man letztlich auch fest, dass die entscheidende Zielgruppe hierüber gar nicht erreicht werden kann. Chancen und Risiken von Social Media hängen somit immer auch vom Branchen- und Produktumfeld sowie von der jeweiligen Kommunikationsstrategie ab. Wie bei allen anderen Maßnahmen ist es auch hier wichtig, klare Ziele zu formulieren, um anschließend den Erfolg messen aber auch den Wertschöpfungsbeitrag für das Unternehmen eruieren zu können.
Aktuelle Trends
Hinsichtlich konkreter Tools und Anwendungen zeichnet sich ein starker Trend von der Print- zur Bewegtbild-Kommunikation ab, der durch neue mobile Anwendungen wie z.B. Handy-TV künftig noch an Bedeutung gewinnen könnte. Insbesondere komplexe Zusammenhänge wie im Technologiebereich, lassen sich über Bewegtbilder, Fotos oder animierte Informationsgrafiken gut aufbereiten, um neuen Rezeptionsgewohnheiten entgegenzukommen und Informationen anschaulich zu verknüpfen. Es werden jedoch auch mahnende Stimmen laut, die Internet-Videos nicht zuletzt aufgrund oft niedriger “Zuschauerzahlen” und hohem Produktionsaufwand nur für eng umgrenzte Anwendungsfelder eine Zukunft geben.
Daneben gibt es immer wieder erfolgreiche Beispiele von Communities, auf denen die Zielgruppen zwecks Produkt(weiter)entwicklungen erfolgreich von Unternehmen eingebunden wurden. Ein gutes Beispiel hierfür hat zuletzt Fiat gezeigt, das bei der Neuauflage des Cinquecentos konsequent auf die individuellen Design-Ideen begeisterter Fans setzte und mit zahlreichen Bestellungen belohnt wurde. Gerade im Sinne von Open Innovation lassen sich auf diese Weise wertvolle Hinweise und Ideen – auch künftiger – Kunden gewinnen. Als übergeordneter Trend wird das Thema Mobilität zum zentralen Wachstumstreiber für die digitale Wirtschaft. Nach der Versorgung mit mobilen Endgeräten wie MP3-Playern, Notebook, PDA und Handy wird nun die Versorgung mit Inhalten folgen.
Fazit
Der erfolgreiche Einsatz Neuer Medien in der PR-Arbeit wird künftig vor allem davon abhängen, wie sich die PR-Verantwortlichen auf den grundsätzlichen Wandel in der Kommunikation einstellen. Authentizität, Transparenz und Glaubwürdigkeit werden bei allen Kommunikationsmaßnahmen – nicht nur im Social Web – eine entscheidende Rolle spielen und über Erfolg und Misserfolg maßgeblich mitentscheiden. Nur wer seine Stakeholder als Dialogpartner ernst nimmt und einbindet, wird hier erfolgreiche Kommunikation betreiben.